Nach Vorwurf an Sängerin Rita Ora: Was ist Blackfishing?
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Sängerin Rita Ora.
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Ein Tweet über Rita Oras Herkunft sorgt gerade für eine Debatte in England: Darf man als Prominenter den Eindruck erwecken, man sei schwarz oder habe afrikanische Wurzeln? Eine Frau wirft der 29-jährigen Sängerin (”Hot Right Now”) so genanntes “Blackfishing” vor – und erhält für ihren Tweet innerhalb kürzester Zeit 110.000 Likes und 22.000 Retweets. Die Frau schreibt darin: “Herauszufinden, dass Rita Ora gar nicht schwarz ist und ihre beiden Eltern weiße Albaner sind, ist so schräg. Das Mädchen betreibt Blackfishing.” Doch was genau ist mit Blackfishing gemeint?
Der Begriff leitet sich von den Worten “Blackfacing” und “Catfishing” ab. Ersteres ist eine rassistische Praxis aus dem 18. und 19. Jahrhundert, bei dem sich weiße Menschen im Theater schwarz anmalten und einen Schwarzen spielten. Dieses Phänomen der Maskerade kommt bis heute bei Volksfesten vor, so zum Beispiel in den Niederlanden beim Nikolaus-Fest. Dort verkleiden sich Menschen als Schwarzer Peter mit schwarzer Farbe im Gesicht. Auch in Deutschland kommt die Diskussion zur Karnevalszeit immer wieder hoch. Zum Beispiel im Jahr 2017 wegen des hessischen Vereins “Südend Fulda”, der bis dahin einen “Neger vom Südend” mit schwarz angemaltem Gesicht am Rosenmontagsumzug mitlaufen ließ. “Catfishing” hingegen beschreibt eine Aktivität, bei der Menschen andere Leute im Netz mit falscher Identität in eine Beziehung locken.
Die Mischung aus beiden Begriffen ergibt Blackfishing. Wie Pressesprecher Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland dem RedaktionsNetzwerk Deutschland sagt, tauche Blackfishing immer wieder in der Musikwelt und der Modebranche auf. “Also, dass Weiße sich ‘Schwarzsein’ aneignen, um modisch oder besonders hip rüber zukommen.” Auch Kulturjournalist Malcolm Ohanwe erklärt gegenüber Dlf Kultur das Phänomen: “Du vermittelst Leuten den Eindruck, du seist schwarz oder halbschwarz”. Demnach gleicht es einem Kostüm, das immer wieder an- und abgelegt werden kann. Schwarze hingegen können das nicht - und haben zudem auch noch mit Ausgrenzung, Rassismus und Benachteiligungen zu kämpfen.
“Ohne zu reflektieren”
Laut Della ist Blackfishing besonders deshalb ein Problem, weil “weiße Menschen sich Schwarzsein aneignen ohne zu reflektieren, was es bedeutet tatsächlich Schwarz zu sein, vor allem wenn in der Gesellschaft noch Ausschlüsse aufgrund von Anti-Schwarzen-Rassismus vorhanden ist.” Ein Beispiel dafür ist die Diskriminierung wegen der Frisur: Das geht so weit, dass im US-amerikanischen Kalifornien 2019 ein Gesetz verabschiedet werden musste, dass Diskriminierung aufgrund natürlicher Afrohaarstile juristisch verbietet.
Frisur als Kostüm
Einige Twitter-Nutzer sehen auch bei Rita Ora eine Kostümierung: Denn Ora trägt oftmals geflochtene Haare, manchmal eine Afrofrisur. Auf diversen Bildern unterscheidet sich ihre Hautfarbe, so dass Fans darauf schließen, dass sich Ora unterschiedlich stark schminkt, um “dunkler” zu wirken. So lautet jedenfalls der Vorwurf. Es gibt aber in der Diskussion auch Stimmen, die darin kein Problem sehen. Eine Person schreibt auf Twitter: “Sie kann ihre Haare tragen, wie sie will.” Andere sagen, dass Ora immer offen damit umgegangen sei, dass sie weiß ist, ursprünglich aus dem heutigen Kosovo stammt und nie vorgab, schwarz zu sein. Auch auf Instagram erzählt sie von ihrer Familie und ihrem Umzug vom heutigen Kosovo nach England.
Neben Ora wurden auch andere Stars für Blackfishing kritisiert, zum Beispiel US-Sängerin Ariana Grande und Realitystar Kim Kardashian. Manchmal scheinen Promis aber nicht nur Haare und Teint zu verändern, auch Kleidung spielt bei Blackfishing eine Rolle: “Modische Accessoires und Frisuren, die ihren Ursprung in der schwarzen Kultur haben, runden das Erscheinungsbild ab”, wie das “Monda Magazin” schreibt. Es erscheint kurios: “Es gibt Anti-Schwarzen-Rassismus, gleichzeitig fühlen Weiße sich zu ‘Schwarzer Kultur’ verbunden”, wie Dalla von der ISD zum RND sagt. Wollen sie damit möglicherweise eine schwarze Zielgruppe ansprechen, die sie sonst nicht beachten würde? Bislang sind die Motive dahinter nicht erforscht. Klar ist nur: Die Promis bekamen bislang dafür immer mehr Aufmerksamkeit – wenn auch meist negativ.
Nur die Last nicht
“Typischerweise sieht man Blackface nur als Möglichkeit, Schwarze zu verspotten”, stellt das US-Magazin ”Teen Vogue” fest. Dies sei jedoch so verändert worden, dass man nun tatsächlich von Blackfishing profitieren könne. Im Zuge der Debatte um Blackfishing kommt oft der Gegensatz auf, den der US-amerikanische Autor Greg Tate in seinem Buch “Alles außer der Bürde” beschreibt. Demnach entnehmen Weiße der schwarzen Kultur beispielsweise Musik und Stil, aber nicht die Last, die mit schwarzen Leben verbunden ist. Das bestätigt auch Della: “Blackfishing und kulturelle Aneignung lässt außer Acht, dass Schwarzsein mehr bedeutet als hip zu sein. Schwarzsein hat neben positiven Seiten auch negative und oft schwerwiegende Einschränkungen zur Folge.”