„Tempel sind völlig verwaist“: das Ende des Tourismustraums in Myanmar
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Thabeik Hmauk, einer der 4000 Bagan-Tempel, mit Heißluftballons bei Sonnenuntergang.
© Quelle: imago/imagebroker
Seit der Corona-Pandemie und dem Militärputsch im Jahr 2020 bleiben in Myanmar die Touristen aus. Was bedeutet das für die Menschen, die vom Tourismus leben? Luca Pot d’Or war kurz vor der Pandemie noch in Myanmar und spricht jetzt mit Su Nandar Lwin, in deren Hotel Sweet Garden Motel er damals untergekommen war, über die aktuelle Situation und die Hoffnung auf die Rückkehr der Touristen.
Frau Nandar Lwin, wie haben Sie die letzten zweieinhalb Zeit erlebt?
Nandar Lwin: Unser Sweet Garten Motel gibt es seit 2018 und es ist komplett in Familienhand. Die Lage ist hervorragend, in einem großen Garten und unweit von der berühmten Tempellandschaft in Bagan gelegen. Unsere Gäste waren zufrieden, und wir waren es auch.
Das Haus und das Grundstück gehörten meinen Großeltern, die es meinen Eltern vererbt haben. Mein Vater hat in der Landwirtschaft gearbeitet und meine Mutter hat die Ware auf dem Markt verkauft. Sie haben das Erbe meiner Großeltern investiert und Geld bei Freunden geliehen, um aus dem Haus ein Hotel zu machen. Die Schulden konnten wir zum Glück schnell abbezahlen. Ich habe das Hotel dann geleitet – alles sah gut aus.
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Seit 2018 nennt Su Nandar Lwins Familie das Sweet Garden Motel in Nyaung U in der Nähe der berühmten Tempellandschaft ihr Eigen.
© Quelle: Luca Pot d'Or
Auch 2020 hatten wir schon zu Jahresbeginn viele Buchungen, doch mit der Pandemie wurde das Land für Touristen ab März geschlossen und die Buchungen storniert. Das war natürlich hart, aber wir hatten uns schon etwas angespart, von dem wir im ersten Corona-Jahr leben konnten.
Außerdem konnte ich mit meinem Nebenjob bei einem Agrarkonzern etwas hinzuverdienen, so mussten wir uns keine Sorgen um das Auskommen machen. Seit dem Militärputsch hat sich die Lage aber verschlimmert: Unser Hotel hat immer noch keine Gäste, und mein Nebenjob ist weg. Jetzt verkaufe ich Blumen von unserer Farm, um den Lebensunterhalt zu verdienen.
Wie ist die Situation im Moment?
Um ehrlich zu sein, habe ich aktuell keine große Hoffnung auf schelle Besserung. Nach dem Putsch ist das Land in einen Bürgerkrieg gerutscht. Niemand fühlt sich mehr sicher. Und das hat natürlich auch Folgen für die Wirtschaft: Die Arbeitslosigkeit und die Inflation steigen, immer mehr Menschen leben in Armut – speziell hier in Bagan, das sehr vom Tourismus abhängt. Es ist traurig.
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Drei Jahre sollen die abgesetzte Regierungschefin und ihr Wirtschaftsberater hinter Gitter, so das von der Militärregierung kontrollierte Gericht.
© Quelle: Reuters
Vor der Corona-Pandemie und dem Militärputsch war Myanmar ein beliebtes Reiseziel in Asien. Bagan hat jährlich bis zu 250.000 Touristen angezogen. Die Grenzen wurden kürzlich wieder für Touristen geöffnet. Ist davon was zu merken?
Nein, gar nicht. Die Tempelanlagen von Bagan sind völlig verwaist. Kaum jemand wagt es, jetzt aus Vergnügen nach Myanmar zu kommen. In der Hauptstadt Yangon und in anderen Städten gilt das Kriegsrecht, es gibt nächtliche Ausgangssperren, Personenkontrollen und Straßenblockaden.
Zwar hat das Militär das Land offiziell wieder für den Fremdenverkehr geöffnet und einige Airlines steuern – meistens über Bangkok oder Kuala Lumpur – Myanmar wieder an, doch die bringen keine Touristen. Auch Einheimischen steht es verständlicherweise gerade nicht nach Reisen und Ausflügen.
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Bevor die Hauptstadt Yangon zum Zentrum des Kampfes zwischen Regierungstruppen und Regimegegnern wurde, war die Stadt vor allem für die beeindruckenden buddhistischen Tempel (hier im Bild: die Shwedagon-Pagode) bekannt (Archivfoto).
© Quelle: Luca Pot d'Or
Was müsste passieren, damit Touristen wieder guten Gewissens und in Sicherheit nach Myanmar reisen können?
Wir brauchen wieder mehr Sicherheit und Stabilität – nach innen wie nach außen. Wenn das passiert, können auch wieder Touristen kommen. Denn die allermeisten Menschen hier in Myanmar sind ehrliche, hart arbeitende, hilfsbereite und gastfreundliche Menschen, die einfach nur in Frieden leben wollen und die ohne die Einnahmen aus dem Tourismus vor dem Ruin stehen.
Es scheint, als sei die große Abhängigkeit vom Tourismus jetzt ein Nachteil für die Menschen in Myanmar.
Leider ja. Der Tourismus war eine wichtige Einkommensquelle und Lebensgrundlage. Seit dem Ende der letzten Militärdiktatur 1992 hat sich das Land unter den Augen der Touristen, die es bereist haben, stark gewandelt.
Myanmar war sicher, die Infrastruktur hat sich rasant entwickelt, die Wirtschaft hat sich stabilisiert. Jetzt ist alles auf einen Schlag weg. Die Corona-Pandemie hätten wir wohl verkraftet, doch die Auseinandersetzungen – auch wenn sie irgendwann enden – haben das Land um Jahre zurückgeworfen. Männer und Frauen, die vom Tourismus gelebt haben, mussten sich Arbeit in anderen Branchen suchen, viele sind in die Städte gegangen.
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Traumhafte Strände und kristallklares Wasser – der Süden Myanmars ist ein teilweise noch kaum erschlossenes Paradies.
© Quelle: Luca Pot d'Or
Haben Sie Hoffnung auf eine bessere Zukunft?
Eine sichere politische Lage im Land könnte auch schnell wieder Touristen ins Land locken – wobei es wahrscheinlich lange dauert, bis wir wieder so viele Gäste haben wie vor Corona. Die Hoffnung auf eine Rückkehr der Touristen – auch wenn sie, wie gesagt, nicht groß ist – gibt uns aber Kraft. Gerade kümmern wir uns nebenbei um unseren Hotelgarten, damit es hier schön aussieht, wenn die Touristen wiederkommen.
Worauf können sich Touristen in Bagan und generell in Myanmar freuen?
Überall in Myanmar ist die Geschichte des Landes und des buddhistischen Glaubens sichtbar. Die Landschaft ist sehr vielfältig, vom bergigen Norden, über die fruchtbaren Flächen entlang des Irrawaddy-Flusses in der Mitte des Landes und die paradiesischen Strände im Süden. Die Menschen sind freundlich, herzlich und gastfreundlich.
Das beliebteste Reiseziel war aber Bagan. Es ist ein unbeschreiblicher, fast magischer Ort. Die tausenden Tempelanlagen sind eine wahre Augenweide und nicht umsonst Unesco-Weltkulturerbe. Es ist so traurig zu sehen, wie die Tempel jeden Tag einsam in der Sonne liegen und niemand da ist, der sie bestaunen kann.