VON ISABELL REMMERS RINTELN

Ich heb’ ab

Wenige Sekunden vor dem Start: Isabell Remmers und Fluglehrer Thomas Himmelsbach.

Wenige Sekunden vor dem Start: Isabell Remmers und Fluglehrer Thomas Himmelsbach.

VON ISABELL REMMERS RINTELN. Zugegeben, ganz ohne Bedenken war ich nicht, als ich das Angebot von Dieter Vogt, zweiter Vorsitzender des LSV Rinteln, erhielt. Geflogen? Klar, war ich schon mal. Aber ohne Motor in mehreren hundert Metern Höhe und ich im Cockpit? Das konnte ich mir nur schwer vorstellen.

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Aber ich war natürlich nicht allein: Mein Fluglehrer Thomas Himmelsbach führte mich in die Welt des Segelfliegens ein und saß natürlich auch hinter mir im Flieger. Himmelsbach selbst fliegt, seit er 14 Jahre alt war und ist seit seinem 20. Lebensjahr als Segelfluglehrer tätig – übrigens komplett ehrenamtlich.

Allein ist man zudem beim Segelfliegen sowieso nie, das merke ich schnell. Eine Gruppe von etwa zehn Leuten hat sich Sonntagmorgen auf dem Flugplatz nahe des Doktorsees in Rinteln versammelt. Und fast genauso viele braucht man auch, damit überhaupt in die Luft gegangen werden kann. Da gibt es einen, der im Tower sitzt, einen, der die Winde fährt, einen, der die Startfreigabe erteilt, einen, der das Schleppseil einklinkt und natürlich noch Helfer, die den Flieger zurück auf die Startposition schieben. So kommt es auch mal vor, dass die Mitglieder des Vereins einen ganzen Tag auf dem Flugplatz verbringen, ohne selbst einmal in den Flieger zu steigen, wie mir Adrian Glauner erklärt, im Verein zuständig für den Bereich Technik. „Aber auch das macht Spaß“, betont er.

Segelfliegen ist somit Mannschaftssport. Das beginnt schon mit der Vorbereitung. Zunächst müssen die Flieger aus den Hallen geholt und für die Flüge vorbereitet werden. Auch die Winde, die beim LSV übrigens selbst gebaut wurde, muss an ihren Platz gebracht sowie die Seile über den Platz zur Startstelle gezogen werden. Der Flieger selbst muss natürlich auf Flugtauglichkeit getestet werden: Funktionieren die Steuerung und die Bremsklappen? Kann über Funk Kontakt zum Tower aufgenommen werden? Ist genug Gewicht im Flugzeug? „Dieser Check muss immer durchgeführt werden, bevor wir fliegen“, erklärt mir Himmelsbach. Ich versuche, so gut es geht mit anzufassen, jeden Schritt erklären mir die Mitglieder ausführlich.

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Meine Aufregung erreicht jedoch den Höhepunkt, als mir der Fallschirm angelegt wird. „Ich fliege schon so viele Jahre und es ist noch nie etwas passiert“, versucht mein Fluglehrer, mich zu beruhigen. Auch Selin Cikin kann mir die Nervosität etwas nehmen. Die 18-Jährige fliegt zwar selbst erst seit eineinhalb Monaten, hat aber schon 34 Starts hinter sich. Ich merke schnell, dass sie wirklich im Fliegen aufgeht. „Ich möchte Pilotin werden“, beschreibt Cikin mir ihre Faszination. In der Gemeinschaft fühle sie sich richtig wohl, verbringt teilweise ihr ganzes Wochenende auf dem Flugplatz. Bis sie jedoch allein einen Segelflieger steuern kann, wird es noch etwas dauern, sagt Himmelsbach. Ein Flugschüler muss mit einer Ausbildungsdauer von zwei bis drei Jahren rechnen. Ein erster Alleinflug kann jedoch bereits im ersten Ausbildungsjahr absolviert werden.

Umso mehr freue ich mich über die Möglichkeit, selbst im Cockpit eines Segelfliegers Platz nehmen zu dürfen. Nachdem Selin Cikin mir erklärt hat, wie ich im Falle des Falles aus dem Flieger hinaus komme und meinen Fallschirm öffne, darf ich auch schon einsteigen.

Es wird also ernst. Anschnallen, die Pedale auf die richtige Länge einstellen und die Haube schließen. Himmelsbach nimmt natürlich hinter mir Platz. Er hat dort die gleichen Instrumente vor sich, wie die, die sich in meinem Cockpit befinden. Mit meinem geringen Wissen, auch über die Thermik, bin ich natürlich nicht in der Lage, einen Segelflieger zu steuern. Ich bekomme aber ein Gefühl dafür, wie der Vorgang abläuft.

Als wir im Flieger sitzen, folgt der nächste und letzte Check-up, „den man vor jedem Start gebetsmühlenartig runterbeten sollte“, so mein Fluglehrer. „Ich bin fest angeschnallt, die Haube ist verschlossen, die Steuerung funktioniert einwandfrei in jede Richtung, die Bremsklappen lassen sich links wie auch rechts ausfahren.“

Danach folgt das Einklinken. Auch hier wird wieder eine helfende Hand von Außen benötigt. Selin Cikin klinkt ein und überprüft noch mal das Seil – und dann geht es auch schon los.

Ich sehe, wie das Seil langsam auf Spannung gebracht wird. Dann geht alles schneller als gedacht. Während ich noch von einem Start wie bei einem Passagierflugzeug, das eine ganze Weile über die Startbahn fährt, ausgehe, bin ich schon so gut wie in der Luft. Der V8-Motor der Winde beschleunigt uns in knappen drei Sekunden auf etwa 110 Stundenkilometer. Am höchsten Punkt klinkt Himmelsbach das Schleppseil aus und wir schweben in der Höhe.

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Mein Fluglehrer erklärt mir, was ich auf den Anzeigen des Cockpits erkennen kann, zum Beispiel die Geschwindigkeit und die Höhenmessung. Aber natürlich blieibt auch Zeit für den Blick über Rinteln. Wir fliegen über meine alte Schule, das Ernestinum und den Doktorsee.

„Ab einer Höhe von etwa 200 Metern sollten wir uns auf die Landung vorbereiten“, sagt Himmelsbach. Er lenkt den Flieger mithilfe der Pedale und des Steuerknüppels am Doktorsee vorbei, um die Landebahn anzusteuern. Aufgrund der schlechten Thermik ist leider kein längerer Flug nach einem Windenstart möglich, wie mir Himmelsbach erklärt. Um ehrlich zu sein, bin ich aber recht froh, dass der Wind es sehr gemächlich meint. „Mit Fluganfängern gehe ich am liebsten am Morgen oder am Abend in die Luft, da ist der Wind am ruhigsten“, sagt Himmelsbach. Es ist tatsächlich so. Ich merke jede Böe. Wie ein Vogel.

Als wir die richtige Landerichtung erreicht haben, fährt Himmelsbach die Bremsklappen aus und langsam kommen wir dem Boden immer näher. Mit einem Ruck setzen wir in dem Landefeld auf und ruckeln noch eine Weile über den Boden, ehe wir zum Stehen kommen. Dann ist mein erster Segelflug auch schon wieder Geschichte.

Moment. Noch nicht ganz. Der eigentliche Sport beginnt, für mich zumindest: Wir schieben – mit vereinten Kräften – den Flieger zurück auf seine Startposition, damit der Nächste in die Lüfte steigen kann.

Zu meiner Überraschung bin das wieder ich. Da die Flüge recht kurz ausfallen, darf ich ein zweites Mal hoch.

Dieses Mal ist alles etwas vertrauter. Um die Thermik zu verbessern, fliegt Himmelsbach einen Kreis, wie es die Vögel auch tun.

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Nachdem das Flugzeug nach der zweiten Landung über das Feld zurück auf seine Ausgangsposition gebracht wurde und ich meinen Fallschirm abgelegt habe, ist der nächste Flugschüler dran. Ich bin begeistert von den vielen jungen Mitgliedern, die beim LSV Rinteln aktiv sind. „Wir sind froh über jedes neue Gesicht“, betont Himmelsbach.

Insgesamt habe der Sport mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Haupt-Kritikpunkt seien die hohen Kosten. „Das ist aber gar nicht so. Man muss in etwa mit 400 bis 500 Euro im Jahr rechnen“, so Himmelsbach. Dafür bekommt man auch einiges geboten, wie ich selbst merke.

Auch die Verbundenheit mit der Natur wird beim Segelfliegen großgeschrieben. Man muss sich erst einmal gut mit der Thermik auskennen. Außerdem verbringen Segelflieger den ganzen Tag im Freien. Für einen Start mit der Winde wird beim LSV nur etwa ein halber Liter Benzin benötigt.

Damit ist der Sport also auch noch umweltfreundlich. Und wer kann schon von sich behaupten, dass er frei wie ein Vogel durch die Lüfte gleitet. Die Segelflieger vom LSV Rinteln können das.

SN

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