15 Euro Stundenlohn: Lieferando-Fahrer wollen ersten Tarifvertrag bei einem Lieferdienst
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/6UBRLL22B5FE7H5SJY3OHYUBZY.jpeg)
Lieferando, klarer Marktführer bei Essenslieferungen in Deutschland, muss mit seinen Beschäftigten womöglich bald über einen Tarifvertrag verhandeln.
© Quelle: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbil
Hannover. Erstmals wollen in Deutschland sogenannte Rider einen Tarifvertrag durchsetzen: Wie die Gewerkschaft NGG am Dienstag erklärte, haben sich Fahrerinnen und Fahrer bei Lieferando auf ein Forderungspaket verständigt. „Das wäre der erste Tarifvertrag bei einem reinen Essenslieferdienst in Deutschland. Die Lieferando-Beschäftigten können Tarifgeschichte schreiben”, sagte Christoph Schink, bei der NGG für die Branche zuständig, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Lieferando ist Umfragen zufolge der mit Abstand meistgenutzte Lieferdienst für warme Mahlzeiten in Deutschland, etwa 10.000 Menschen arbeiten der NGG zufolge für das Unternehmen. Das gehört zum niederländischen Lieferdienstkonzern Just Eat Takeaway.com, der wegen pandemiebedingt geschlossener Restaurants zuletzt weltweit deutliche Umsatzsteigerungen verbuchen konnte.
„Lieferando ist der milliardenschwere Marktführer in der Lieferdienstbranche und kein sympathisch-chaotisches Start-up. Es ist Zeit, dass die Arbeitsbedingungen deutschlandweit einheitlich und fair geregelt werden”, erklärte Schink. Die jüngst gegründete Tarifkommission der Lieferando-Beschäftigten fordert unter anderem mindestens 15 Euro Stundenlohn, ein 13. Monatsgehalt, sechs Wochen Urlaubsanspruch und Zulagen für die Arbeit an Abenden sowie an Sonn- und Feiertagen.
Lieferando verweist auf vergleichsweise gute Arbeitsbedingungen
Die Forderung nach einen Tarifvertrag wollte Lieferando auf Anfrage nicht kommentieren. Das Deutschlandgeschäft besteht im Kern aus mehrere Unternehmen, wovon sich die Schwestergesellschaft für das Liefergeschäft, Takeaway Express, zu Wort meldete.
Diese betonte, mit 13 Euro durchschnittlichem Stundenlohn mehr als in anderen Servicebranchen zu zahlen. „Wer als Fahrradkurier arbeiten möchte, findet dafür bei Lieferando faire und professionelle Bedingungen, inklusive Urlaubsentgelt, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlten Überstunden sowie einer umfassenden Versicherung und anderen anfallenden Sozialabgaben durch ihren Arbeitgeber”, so das Unternehmen in einer Stellungnahme.
Auch wenn das Geschäft von Lieferando wegen der Pandemie auch in Deutschland geboomt haben dürfte, ist über die Geschäftszahlen des hiesigen Unternehmens wenig bekannt. Insidern zufolge macht Lieferando mit dem Liefergeschäft anders als mit der Vermittlung von Bestellungen Verluste. Auch beklagen Gastronomen schon jetzt, dass Lieferando happige Provisionen kassiere.
Kritik an Arbeitsbedingungen bei Lieferando
Zuletzt hatte Lieferando überraschend angekündigt, zahlreichen Fahrerinnen und Fahrern eine Entfristung ihrer Arbeitsverträge anzubieten. Schon damals gab es Spekulationen, ob das einem möglichen Personalmangel geschuldet sein könnte – oder ob es eine Reaktion auf Proteste von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sein könnte. Lieferando hatte, wie auch andere Lieferdienste, in den vergangenen Monaten mit immer schärferer Kritik an den Arbeitsbedingungen gerungen.