Analyse: Könnten Fiat-Chrysler und Renault an VW vorbeiziehen?

Fiat-Chrysler-Chef John Elkann hofft auf eine Fusion mit Renault.

Fiat-Chrysler-Chef John Elkann hofft auf eine Fusion mit Renault.

Turin. Es wäre der Deal des Jahres: Manager von Fiat-Chrysler haben Renault eine Fusion vorgeschlagen. Durch den Zusammenschluss könnte ein neuer Weltmarktführer entstehen. Allerdings sind die Hürden hoch. Gleichwohl schossen die Aktien der beiden Unternehmen am Montag in die Höhe.

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Fiat-Chrysler (FCA) preist per Pressemitteilung eine Verschmelzung in höchsten Tönen. Es würde ein globaler Autohersteller geschaffen, der „herausragend in Bezug auf Umsatz, Volumen, Rentabilität und Technologie sowie von Vorteil für die Anteilseigner“ sei. Die FCA-Manager schlagen vor, dass die beiden Konzerne eine Dachgesellschaft gründen, an der sie jeweils die Hälfte der Anteile halten. Durch die Fusion sollen Kostenvorteile von jährlich fünf Milliarden Euro möglich sein.

Die FCA-Bosse versichern, dass keine Fabriken geschlossen werden müssten. Vielmehr gehe es darum, wechselseitig von den Stärken der anderen zu profitieren. Dabei wird vor allem die eigene Position auf dem US-Markt hervorgekehrt. Renault bestätigte die Offerte. Der Verwaltungsrat werde die Angelegenheit beraten und sich dann schriftlich äußern. Bei Redaktionsschluss lag eine Replik noch nicht vor.

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FCA sucht schon lange einen Partner. Viele Autobauer waren schon im Gespräch, auch chinesische. Zuletzt war von zarten Banden zur PSA-Group (Peugeot, DS, Citroen, Opel) die Rede, doch die Franzosen gaben den Italo-Amerikanern einen Korb. FCA braucht vor allem technologische Hilfe, um den Wandel hin zur Elektromobilität und autonomem Fahren zu stemmen. Der Rückstand ist groß.

Die Autobauer bilden Allianzen

Allianzen haben derzeit in der Autobranche Konjunktur, weil die anstehenden Innovationen viele Milliarden verschlingen werden. Branchenprimus Volkswagen hat Anfang des Jahres eine Zusammenarbeit mit Ford bei kleineren Nutzfahrzeugen wie Pick-ups besiegelt. Wenn sich das bewährt, soll die Partnerschaft ausgeweitet werden. BMW und Daimler machen bei Carsharing und anderen Mobilitätsdiensten gemeinsame Sache. Auch dort wird über einen Ausbau der Allianz nachgedacht – bis hin zu gemeinsamen Plattformen für E-Mobile.

FCA hält sich indes mit Technik über Wasser, die in die Jahre gekommen ist. 2018 wurden noch 4,8 Millionen Autos verkauft. In Europa sind die Marktanteile der Kernmarke Fiat immer weiter geschrumpft. Sie lagen zuletzt bei gerade einmal noch 4,6Prozent. Alfa Romeo führt ein Schattendasein. Maserati ist in der sportlichen Oberklasse zwar erfolgreich, doch das ist nur eine kleine Nische.

Chrysler lebt von der Substanz

Deutlich besser steht es um die Chrysler-Marken Dodge, Jeep und Ram. Der Konzern macht mehr als 90 Prozent seines Gewinns in den USA. Allerdings geht die dort eingesetzte Technik noch vielfach auf die Zeiten zurück, als der US-Autobauer zum Daimler-Konzern gehörte. FCA hat in den vergangenen Monaten besonders stark unter der düster werdenden Autokonjunktur gelitten.

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Erheblich heller sieht es für Renault aus. Die Franzosen können deutlich höhere Renditen und mit 10,5 Prozent auch größere Marktanteile in Europa vorweisen. Sie profitieren von der Allianz mit den japanischen Autobauern Nissan und Mitsubishi. Die Unternehmen sind durch wechselseitige Beteiligungen miteinander verknüpft. Das Trio konnte im vergangenen Jahr insgesamt gut 10,7 Millionen Fahrzeuge verkaufen – Volkswagen schaffte 10,8 Millionen. Nissan hat eine starke Position in China, und den Japanern ist es gelungen, in Indien Fuß zu fassen.

Vier Millionen verkaufte Autos mehr als Volkswagen

Ein Bündnis Fiat-Chrysler-Renault-Nissan-Mitsubishi käme aktuell auf rund 15 Millionen verkauft Autos pro Jahr. Details einer möglichen Fusion sind noch nicht klar. Nissan-Chef Hiroto Saikawa lehnte den Deal in einem ersten Statement zumindest nicht prinzipiell ab. Er sagte der japanischen Wirtschaftszeitung „Nikkei“, einem konstruktiven Meinungsaustausch zur Stärkung der Allianz stehe er immer positiv gegenüber.

Klar ist, dass die Japaner bei einem Bündnis mit dem US-italienischen Unternehmen großes Gewicht hätten. Sie haben im vergangenen Jahr 5,6 Millionen Autos verkauft und sind in der Elektromobilität weit vorn. Der Nissan Leaf ist eines der erfolgreichsten E-Autos weltweit, an dessen Technik FCA großes Interesse haben dürfte.

Sinnvolle Fusion?

Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer hält die von den Italienern vorgeschlagene Fusion für sinnvoll. Fiat sei in Italien schon lange kein nationales Heiligtum mehr. Die Besitzer-Familie Agnelli könne verkaufen oder sich an Renault oder sogar an Nissan beteiligen. Gleichwohl werde das für Fiat als Juniorpartner „nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig“. Dudenhöffer spielt dabei darauf an, dass beispielsweise das Entwicklungszentrum in Turin früher oder später zur Disposition stehen würde.

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Unter Experten gibt es aber auch skeptische Stimmen. So machen mehrere Analysten darauf aufmerksam, dass es mit den zahlreichen Marken und divergierenden Interessen schwer werde, gemeinsame Produktionskonzepte zu erstellen, die Voraussetzung für die erwarteten Synergien wären. Kulturelle Unterschiede kommen hinzu – die hatten schon die Konzern-Ehe von Daimler und Chrysler zum Scheitern gebracht.

Politik könnte Strich durch die Rechnung machen

Ein weiterer Faktor könnte der Einfluss der französischen Regierung sein. Der Staat hält 15 Prozent der Renault-Anteile. Die populistische Regierung in Italien hat sich schon mehrmals mit Staatspräsident Macron angelegt. Der Lega-Abgeordnete Claudio Borghi sagte am Montag dem Fernsehsender La 7, der 15-Prozent-Anteil sei eine Anomalie. „Wir könnten Symmetrie fordern.“ Schließlich müssten die Interessen Italiens verteidigt werden.

Von RND/Frank-Thomas Wenzel

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