Autonomes Fahren als Wiedergeburt des Autos
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Vom kommenden Jahr an werden der Autovermieter Sixt und die Intel-Tochter Mobileye einen Robotaxidienst mit selbstfahrenden Fahrzeugen anbieten.
© Quelle: Sixt/Mobileye/dpa
Frankfurt. „Das wird unser Leben total verändern. Wie werden eine Renaissance des Autos erleben.“ Mit solchen euphorischen Worten feiert Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer die rasanten Entwicklungen beim autonomen Fahren. „Wer sich daran erst einmal gewöhnt hat, der will es nicht mehr missen“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Einen großen Schritt voran will da die Intel-Tochter Mobileye zusammen mit der Autovermietung Sixt machen. Schon in einigen Monaten sollen Robotertaxis durch München kurven.
Im knalligen Orange sollen die Fahrzeuge, die auf der IAA vorgestellt wurden, zu echten Hinguckern werden. Doch noch viel interessanter sind die inneren Werte. Die SUV vom chinesischen E-Auto-Start-up Nio werden mit Hightech vollgestopft. 13 Kameras, sechs Radarsensoren plus sechs Laserscanner (Lidar) für den Nah- und drei für den Fernbereich. Hinzu kommen digitale Karten, die mit aktuellen Daten von vernetzten Fahrzeugen ständig aktualisiert werden. Ferner verfügt der Bordcomputer über eine Software, die in kritischen Situationen für die richtigen Entscheidungen sorgen soll.
Das alles wird von acht wassergekühlten SoC (Systems on a Chip) gesteuert, die das Fahren auf dem sogenannten Level vier ermöglichen. Das bedeutet: Hochautomatisierung. Das Computersystem übernimmt dauerhaft die Fahraufgaben. Nur notfalls muss ein Mensch hinter dem Steuer eingreifen. Doch Mobileye-Manager Johann Jungwirth hofft, dass Wagenlenker gegen Ende des nächsten Jahres nicht mehr benötigt werden. Dann werden die Münchner komplett leere Autos sehen, die beispielsweise zwischen Flughafen und Innenstadt hin- und herpendeln. Allerdings müssen diese Fahrzeuge dann in einem Kontrollzentrum fernüberwacht werden. Schon zeitig im neuen Jahr soll mit dem Projekt begonnen werden – zunächst mit einer handverlesenen Zahl von geladenen Fahrgästen.
Getestet werden Robotaxis in vielen Städten weltweit schon seit geraumer Zeit. Mobileye und Sixt heben hervor, dass das Münchner Projekt aber „der erste bekannte kommerzielle Robotaxi-Service eines Technologieanbieters und eines Mobilitätsanbieters“ ist. Für Jungwirth ist bereits jetzt klar, dass sich das Projekt auch pekuniär auszahlen wird. Schon bei einer relativ kleinen Flottengröße könne die Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Bis der Beweis der Rentabilität angetreten werden kann, müssen die Betreiber aber noch auf die entsprechenden Genehmigungen der Behörden warten. Erst im Juli hatte der Bundestag die gesetzlichen Grundlagen für den Betrieb autonomer Fahrdienste geschaffen.
Für Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft NRW ist die Bedeutung des Münchner Projekts „sehr hoch einzuschätzen“, wie er dem RND sagte. „Mobileye zählt für uns zu den fünf großen Spielern bei der autonomen Mobilität.“ Er erwartet eine evolutionäre Entwicklung: vom Assistenzsystem zur Vollautomatisierung. Der Einsatz der Robotertaxis in Städten ist für ihn ein wichtiger Zwischenschritt. Der urbane Verkehr habe den Vorteil, dass die Geschwindigkeiten relativ gering seien. Und mit abgetrennten Fahrspuren werde den Computern die Fahraufgabe zudem deutlich erleichtert. Auch Mobileye-Chef Amnon Shashua räumt ein, dass es am Ende des Tages nicht mehr nur um Fahrdienste gehe. Zu gewinnen sei vielmehr der große Preis automatischer Fahrzeuge für den privaten Konsumenten, sagte er der Finanznachrichtenagentur Bloomberg.
Großer Vorsprung für China
Auch die deutschen Autobauer wollen zu den Gewinnern gehören. Mercedes will für die S-Klasse schon in den nächsten Wochen den Autobahn-Staupiloten einführen: Bis zu 60 Stundenkilometer schnell darf das Auto im zäh fließenden Verkehr fahren, während die Person hinter dem Steuer Filme guckt oder Whatsapp-Nachrichten schreibt. BMW plant derweil mittelfristig mit Level drei: Das Auto kann allein fahren, doch der Fahrer muss in komplizierten Situationen immer wieder die Kontrolle übernehmen. Volkswagen will 2025 ein Auto-Betriebssystem einführen, das auch autonomes Fahren beherrscht. Bratzel rät aber den hiesigen Autobauern, schon jetzt insbesondere die Entwicklungen in China zu beobachten. „Was dort passiert, muss man sehr ernst nehmen.“ Er sieht enorm wichtige Player in der Volksrepublik. Etwa die Hightechkonzerne Baidu und Didi Chuxing oder das Start-up Auto X.
Dudenhöffer geht noch einen Schritt weiter: „Die Chinesen haben einen großen Vorsprung.“ Er verweist auf ein 30-minütiges Youtube-Video von Auto X, das zeigt, wie ein vollautomatischer Pkw ohne Besatzung unfallfrei durch die Metropole Shenzhen kurvt. Dudenhöffer empfiehlt den hiesigen Konzernen sogar, schnellstmöglich mit den Experten aus der Volksrepublik zu kooperieren. „Ansonsten werden wir abgehängt.“ Der Autoexperte rechnet denn auch mit schnellen technischen Fortschritten. In einigen Jahren würden die Autos eigenständig aus der Garage vorfahren. Nutzer von Mobilitätsdiensten könnten sich Fahrzeuge bestellen, die dann pünktlich vor dem Haus stünden. „Die Autos sind genau dann da, wenn sie gebraucht werden“, so Dudenhöffer. Das sei dann erheblich effizienter als der konventionelle öffentliche Nahverkehr. „Deshalb bin ich von der Renaissance des Autos überzeugt.“