Weggeworfene Lebensmittel

Containern: Handelsverband lehnt Legalisierung ab

Weggeworfene Lebensmittel liegen in einer Mülltonne.

Weggeworfene Lebensmittel liegen in einer Mülltonne.

Berlin. Der Handelsverband Lebensmittel (BVLH) hat eine Initiative von Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) zur Abschaffung der Strafen für das sogenannte Containern scharf kritisiert. „Der Handelsverband Lebensmittel (BVLH) spricht sich gegen die Legalisierung des so genannten Containerns aus – unter welchen Voraussetzungen auch immer“, sagte BVLH-Haupt­geschäfts­führer Franz-Martin Rausch dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND).

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Rechtlich bestehe kein Handlungsbedarf, so Rausch weiter. „Bereits heute bieten das Straf- und das Straf­verfahrens­recht ausreichende Möglichkeiten, allen denkbaren Fallkonstellationen im Einzelfall Rechnung zu tragen“, sagte er.

„Außerdem stellen zur Entsorgung bestimmte Lebensmittel in Abfallbehältern eine potenzielle Gesundheitsgefahr dar“, warnte der Vertreter der Lebensmittelhandels. Es könnten zum Beispiel Lebensmittel aus Waren­rück­rufen dabei sein, die mit Fremdkörpern wie Glas- oder Metallsplitter verunreinigt sein können. „Solche Gefahren sieht man den Produkten nicht an“, betonte Rausch.

Bislang gilt: Wer weggeworfene Lebensmittel aus dem Müll holt, muss mit Strafen rechnen.

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Özdemir und Buschmann hatten sich zuvor in einem gemeinsamen Schreiben an die Landesjustizminister gewandt und sich für einen Vorschlag des Landes Hamburg ausgesprochen. Demnach solle das Containern nur noch bestraft werden, wenn ein Hausfriedensbruch vorliegt, „der über die Überwindung eines physischen Hindernisses ohne Entfaltung eines wesentlichen Aufwands hinausgeht oder gleichzeitig den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt“. Diese Regelung würde die Länder betreffen, eine Änderung auf Bundesebene ist nicht geplant.

Nur 7 Prozent der Lebens­mittel­abfälle im Handel

„Containern ist kein wirksamer Beitrag zur Reduktion von Lebens­mittel­verschwendung“, ergänzte er. Im Handel fielen gerade 7 Prozent der in Deutschland entstehenden Lebens­mittel­verluste an.

„Wenn Staat und Politik wirksam Lebens­mittel­verschwendung reduzieren wollen, sollten Lebens­mittel­unternehmen und gemeinnützige Organisationen dabei unterstützt werden, mehr verzehrfähige Lebensmittel zu spenden und an Bedürftige zu verteilen“, sagte Rausch. „Dafür müssten karitative Einrichtungen gezielt finanziell gefördert werden. Außerdem sollten dafür Anpassungen im Lebensmittel- und gegebenen­falls im Steuerecht vorgenommen werden, forderte er.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) setzen sich dafür ein, dass strafrechtliche Ermittlungen wegen Containerns in Zukunft häufiger eingestellt werden. Die entsprechende Regelung soll aber nicht der Bundestag treffen, sondern die Länder.

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Vorstoß aus Hamburg

Die beiden Bundesminister unterstützen nun einen Vorschlag der Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). Danach sollen die Staats­anwaltschaften derartige Strafverfahren jeweils wegen Geringfügigkeit einstellen, wenn bei der Wegnahme einerseits keine Sach­beschädigung und kein größerer Hausfriedensbruch stattfand und andererseits nach dem Verzehr der Lebensmittel „keine Gesundheits­gefahren“ entstanden. Es bliebe also bei der Strafverfolgung, wenn zum Beispiel das Schloss eines Containers beschädigt oder ein Zaun überstiegen wurde.

Diese Regelung will Hamburg in den „Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren“ (RiStBV) als neue Nummer 235a verankern. Die RiStBV ist eine gemeinsame Verwaltungs­vorschrift der Länder, die für die Staats­anwaltschaften verbindlich ist.

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Änderungen der RiStBV sind allerdings nur im Konsens der Länder möglich. Sie müssen im RiStBV-Ausschuss, einem Unter­aussschuss der Justiz­minister­konferenz, beschlossen werden. Zur nächsten Sitzung will das Vorsitzland Hessen „im Frühjahr“ einladen. Es soll dann schwerpunktmäßig um das Containern gehen. Ob hierbei ein Konsens im Sinne Hamburgs zustande kommt, ist aber sehr unsicher. Der Hamburger Antrag stammt schon aus dem Oktober 2021. Bei der jüngsten Neufassung der RiStBV wurde er nicht berücksichtigt.

Länder sind skeptisch

Viele Länder sind auch generell skeptisch gegenüber dem Containern. „Leuten zu ermöglichen, in Containern nach Lebensmitteln zu wühlen, kann nicht unsere Antwort auf die großen Fragen der Lebens­mittel­verschwendung sein“, kritisiert etwa die Stuttgarter Justizministerin Marion Gentges (CDU). Sie fordert stattdessen ein Anti-Wergwerf-Gesetz, mit dem größere Supermärkte zur Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen wie Tafeln verpflichtet werden sollen. Die Initiative der beiden Bundesminister hat nun aber immerhin dazu geführt, dass sich die grün-schwarze Landesregierung noch einmal neu beraten will.

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Deutlich einfacher wäre jedoch eine Entkriminalisierung des Containerns auf Bundesebene. Hier ist keine Einstimmigkeit erforderlich, vielmehr könnte der Bundestag mit der Mehrheit der Ampelkoalition das Strafgesetzbuch ändern.

Warum also legen die Bundesminister Buschmann und Özdemir keinen Gesetzentwurf vor?

Das Ministerium Özdemirs verweist auf das Bundes­justiz­ministerium, das für Rechtsfragen zuständig sei. Und Buschmanns Ministerium verweist nur vage auf die geplante „Modernisierung des Strafrechts“, für die der Minister im Laufe des Jahres einen Vorschlag machen will. Vom Containern war dabei bisher noch nie die Rede.

Wie eine Regelung per Bundesgesetz aussehen könnte, hat die Linksfraktion im November letzten Jahres gezeigt. Sie schlägt eine Ergänzung von Paragraf 248a („Diebstahl geringwertiger Sachen“) um folgende Passage vor: „Von der Strafverfolgung ist abzusehen, wenn sich die Tat auf Lebensmittel bezieht, die vom Eigentümer in einem Abfallbehältnis, welches der Abholung und Beseitigung durch einen Entsorgungsträger dient, deponiert oder anderweitig zur Abholung bereitgestellt wurden.“

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