Crash am Ölmarkt: Der billige Sprit wird dem Klimaschutz schaden
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Die Kehrseite der klimafreundlichen Technologien: Werden fossile Treib- und Brennstoffe billiger, könnten sie für Verbraucher wieder lukrativer werden.
© Quelle: Gregory Bull/AP/dpa
Hannover. Saudi-Arabiens staatliche Ölgesellschaft Aramco hat am Dienstag angekündigt, die tägliche Förderung auf 12,3 Millionen Fass (159 Liter) zu erhöhen – rund ein Viertel mehr als im Februar: Da ist sie, die Preiskriegserklärung gegen Russland. Dessen Energieminister Alexander Nowak ließ prompt mitteilen, sein Land habe die Fähigkeit, die Förderung um 500 000 Fass pro Tag auf 11,8 Millionen zu erhöhen – verbunden mit dem Angebot, noch einmal miteinander zu reden.
Weil sich beide Länder in der vergangenen Woche nicht auf eine gemeinsame Förderpolitik einigen konnten, rutschte der Ölpreis am Montag ab. Experten gehen davon aus, dass nun ein langer und harter Preiskampf um Anteile auf dem schrumpfenden Ölmarkt begonnen hat.
Nachfrage nach fossilem Treibstoff und Heizöl sinkt – aber Rohstoff wird billiger
Darin stecken eine gute und eine schlechte Nachricht für den Klimaschutz. Klar ist: Durch das Coronavirus und seine Folgen wird die Nachfrage nach fossilem Treibstoff und Heizöl in den nächsten Monaten sinken. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat gerade ihre Prognose für 2020 nach unten korrigiert. Weltweit werde der Bedarf nur noch bei knapp 100 Millionen Fass pro Tag liegen – 90 000 Fass weniger als 2019 und damit der erste Rückgang seit 2009. Das heißt auch, dass entsprechend weniger Kohlendioxid (CO₂) in die Luft geblasen wird.
Die Kehrseite: Durch die schrumpfende Nachfrage verbilligt sich der Rohstoff. Das hat den aktuellen Preiskampf zwischen Saudis und Russen überhaupt erst ausgelöst. Nach einem massiven Einbruch am Montag kostete ein Fass der Referenzsorte Brent am Dienstagnachmittag gut 37 Dollar. Anfang des Jahres war es noch fast doppelt so viel gewesen. Und viele Experten halten einen weiteren Rückgang für möglich – sogar bis in die Gegend von 20 Dollar. Dann wäre ein Liter Dieselsprit an der Tankstelle wohl für weniger als einen Euro zu haben.
Umbau von Energiesystemen: Bedarf nach Rohöl wächst langsamer
Mehr noch: Ein niedriges Preisniveau könnte ein Dauerphänomen werden. So rechnet die IEA damit, dass die Rohölnachfrage für den Zeitraum 2019 bis 2025 nur noch moderat um insgesamt 5,7 Millionen Fass pro Tag steigen wird. Dem stehe aber eine Ausweitung der Förderung um 5,9 Millionen Fass gegenüber. Der Grund für den langsamer wachsenden Bedarf sei der “Umbau der Energiesysteme” in vielen Ländern. Gemeint ist vor allem die Elektromobilität. Die Experten der norwegischen Beratungs- und Zertifizierungsfirma DNV GL gehen sogar davon aus, dass wegen der Stromer die Ölnachfrage schon vom Jahr 2022 an nicht mehr steigen wird.
Studienautoren warnen vor steigendem Erdölverbrauch durch Preisverfall
In solch einer Entwicklung steckt die Gefahr eines Rückschlags: Klimafreundliche Technologien könnten Opfer ihres eigenen Erfolgs werden. Wenn Sprit und Heizöl dauerhaft billig bleiben, schwindet der Anreiz, ein E-Auto oder eine Wärmepumpe anzuschaffen. Die Folge: “Der vom Preisverfall angestoßene Anstieg des Erdölverbrauchs sorgt kurzfristig dafür, dass die Emissionen zunehmen”, warnt die renommierte Stiftung Wissenschaft und Politik in einer Studie.
Die Autoren halten deshalb einen “Eingriff in die Verbraucherpreise” für erforderlich. Dazu hat sich die Politik bereits durchgerungen. Von 2021 an werden fossile Treib- und Brennstoffe mit einem über mehrere Schritte steigenden CO₂-Preis belegt. Die Frage ist aber: Reicht das, um die immer wieder beschworene Lenkungswirkung zu erreichen? 2025 wird der CO₂-Aufschlag für Diesel pro Liter 17,6 Cent ausmachen. Denkbar ist, dass Preissenkungen dies deutlich überkompensieren. Noch Anfang Januar war der Liter Diesel im Bundesdurchschnitt mehr als 30 Cent teurer als die wegen des Preiskampfs prognostizierten 99 Cent.