Puffer für hohe Lebenshaltungskosten

Noch nicht einmal jeder zweite Arbeitnehmer bekommt noch Urlaubsgeld

Foto: nmann77/Fotolia.com

Urlaub, Urlaubsplanung, Freizeit, Reise, Erholungsurlaub, Kalender, Planung, Urlaubsreise, Urlaubsgeld, Urlaubsanspruch, Arbeitsrecht, Tarifvertrag, Arbeitsvertrag, Ferien, Sonderurlaub, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Bildungsurlaub, Erziehungsurlaub, Lohnfortzahlung, Bundesurlaubsgesetz, Sabbatical, Pflegeurlaub, Erholung, Zeitraum, Genehmigung, Arbeitsleistung, Fortzahlung, Gehalt, Arbeitsverhältnis, Hamburg, September 2017, Bild Nr.: N57060

Artikel anhören • 4 Minuten

Frankfurt am Main. Es wurde seit den 1960er-Jahren in vielen Branchen eingeführt, um Arbeitnehmern eine etwas längere Auszeit im Sommer zu ermöglichen: das Urlaubsgeld. Inzwischen bezieht es nur noch knapp die Hälfte der Beschäftigten in der Privatwirtschaft. Und die Höhe der Sonderzahlung fällt höchst unterschiedlich aus. Sie variiert zwischen 180 und 2686 Euro. Das geht aus einer Onlinebefragung des Internetportals Lohnspiegel.de hervor, das vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung betrieben wird.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Nur ein kleines Zubrot in der Landwirtschaft

Klare Spitzenreiter sind die Angestellten in Industrieunternehmen, die Holz und Kunststoff verarbeiten, und zwar in der Region Westfalen-Lippe. Für die mittlere Lohngruppe haben die Experten des WSI-Tarifarchivs knapp 2700 Euro ermittelt. Auffällig ist, dass die Kollegen in Sachsen nur 1610 Euro erhalten. Zu den Top 5 gehören außerdem die Papier-, die Metall- und die Druckindustrie sowie das Kfz-Gewerbe. Ganz unten auf der Rangliste stehen Beschäftigte in der Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Mit 180 Euro. Nur etwas besser sieht es im Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Süßwaren- und der Textilindustrie aus, letztere überweist aber auch nur 720 Euro.

Die Studie zeigt, dass mehrere Faktoren für die Zahlung von Urlaubsgeld maßgeblich sind; der mit Abstand wichtigste ist die Tarifbindung. Drei Viertel aller Beschäftigten in Betrieben, die Löhne und Gehälter zahlen, die von Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgehandelt wurden, bekommen das Extrageld ausgezahlt. In Unternehmen ohne Tarifvertrag ist es nur ein Drittel.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Damit lassen sich auch die auffälligen geografischen Unterschiede erklären: Im Osten gibt es die Sonderzahlung für die Sommerfrische bei 34 Prozent, im Westen liegt die Rate bei 49 Prozent. Dies ist auf die geringere Tarifbindung im Osten der Republik zurückzuführen, die nach den Analysen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Jahr 2021 bei im Westen bei 54 Prozent und im Osten bei 45 Prozent der Belegschaften lag. So stehen denn auch die Top 5 in der Rangliste für Unternehmen im Westen – allerdings sind für Arbeiter in der Druckindustrie die Entgelte in Ost und West auf identischer Höhe. Das Gleiche gilt für Versicherungen, Gebäudereiniger und die Chemieindustrie. Die Zahlen der fünf Branchen mit den extrem niedrigen Urlaubsgeldzahlungen beziehen sich alle auf Bezirke in Ostdeutschland.

Hohes Gehalt = hohes Urlaubsgeld

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Größe des Unternehmens: Je größer, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit für die Sonderzahlung. Warum? Auch hier besteht eine Korrelation mit der Tarifbindung, da die Großen häufiger nach Tarif bezahlen. Als weitere Faktoren kommen das Geschlecht – 50 Prozent bei Männern und 40 Prozent bei Frauen – sowie die Höhe des monatlichen Gehalts ins Spiel. Bei einem Bruttolohn unter 2300 Euro kann sich nur etwa jeder Dritte über Urlaubsgeld freuen. Wenn Beschäftigte aber mehr als 4000 Euro pro Monat verdienen, sind es 50 Prozent. Hier spielen ebenfalls die Entgelte, für die Gewerkschafter gekämpft haben, eine wichtige Rolle. Stark unterbelichtet ist hingegen der Niedriglohnsektor, wo es häufig keine verbindlichen Tarife und gar kein Urlaubsgeld gibt.


EU-Gericht stärkt Arbeitnehmern bei Urlaubstagen den Rücken
EU-Gericht stärkt Arbeitnehmer: Urlaub verfällt nicht immer!

Der Europäische Gerichtshof hat den Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern unter bestimmten Bedingungen gestärkt.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Allerdings bedeutet ein separater Nullzuschuss für den Urlaub nicht zwangsläufig ein niedriges Lohn- und Gehaltsniveau. So werden etwa im öffentlichen Dienst und in der Eisen- und Stahlindustrie Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu einer Jahressonderzahlung zusammengezogen.

Insgesamt hat das WSI 22 Branchen untersucht, in acht gab es Erhöhungen, weil die monatlichen Entgelte erhöht wurden und das Urlaubsgeld daran gekoppelt ist. Das höchste Plus mit 8,7 Prozent wurde bei den Gebäudereinigern verzeichnet.

Thorsten Schulten, Leiter des WSI-Tarifarchivs, betont, dass das Urlaubsgeld aktuell anders als einst ein willkommener Puffer sein dürfte, „um die gestiegenen Lebenshaltungskosten zu tragen“. Umso schlimmer sei, „dass die Beschäftigten im Niedriglohnsektor einmal mehr zu den Verlierern gehören“.

Ausgewertet wurden die Angaben von fast 60.000 Beschäftigten aus dem Zeitraum von Anfang Mai 2022 bis Ende April 2023.


Mehr aus Wirtschaft

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken