„Haben die Debatte als unsachlich wahrgenommen“

Debatte um Gasheizungen und Wärmepumpen: Experte warnt vor Überreaktion

Der Thermostat einer Heizung mit Heizkörper.

Der Thermostat einer Heizung mit Heizkörper.

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München. Deutschland heizt fossil. Drei Viertel aller Wohnungen werden mit Gas oder Öl gewärmt, weshalb der Gebäudesektor nun das dritte Jahr in Folge auf ihn entfallende Klimaschutzziele gerissen hat. Vor allem die Grünen in Person von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck drängen in der Ampelkoalition darauf, das rasch zu ändern, was heftigen Widerspruch ausgelöst hat.

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Von radikalem Zwang, erneuerbar heizen zu müssen und einem Verbot von Gasheizungen war die Rede. „Wir haben die Debatte als unsachlich wahrgenommen“, sagt Thomas Engelke dazu. Klar sei, dass die Pläne nur Neubauten und keine Bestandsheizungen betreffen, erklärt der Experte für Energie und Bauen beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Er warnt Verbraucher vor Überreaktionen.

„Keine gute Idee, jetzt aus Angst noch schnell eine neue Öl- oder Gasheizung einbauen zu lassen“

„Es ist keine gute Idee, jetzt aus Angst noch schnell eine neue Öl- oder Gasheizung einbauen zu lassen“, betont Engelke. Denn die Lebenszyklen dafür erstreckten sich über Jahrzehnte. Preislich liege man über die gesamte Laufzeit gerechnet schon jetzt mit einer Wärmepumpe besser. Das verdeutlicht der VZBV in einer Modellrechnung.

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In diesem Musterfall bleibt einem Hausbesitzer für eine neue Wärmepumpe nach Abzug von Fördermöglichkeiten noch ein Eigenanteil von 21.000 Euro. Bei einer neuen Gasheizung wären es zwar nur rund 5000 Euro. Dafür lägen die Betriebskosten dafür pro Jahr bei etwa 3100 Euro, die für den Strom der Wärmepumpe aber nur bei 2200 Euro. „Nach 18 Jahren liegt die Wärmepumpe im Plus“, rechnet Engelke vor. Ab dann komme sie insgesamt günstiger als eine Gasheizung.

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Auch für Mieter hat der VZBV gerechnet. Hier sei es Vermietern erlaubt, Investitionen für eine Wärmepumpe in Grenzen auf die Miete aufzuschlagen. Für eine typische Wohnung steige die Monatsmiete dann im Schnitt um gut 130 Euro. „Das ist eine Menge“, räumt Engelke ein. Hoch seien auch die Anschaffungskosten für eine Wärmepumpe für Hausbesitzer. Deshalb ist es aus Vzbv-Sicht bei beschleunigter Umstellung von fossilem auf erneuerbares Heizen zwingend, dass sozial Schwächere dabei staatliche Zuschüsse erhalten.

Neue Heizung und energetische Sanierung besser eng verknüpfen

Zudem sei es ratsam, solche Umstellungen eng mit energetischer Gebäudesanierung zu verknüpfen, sagt der VZBV-Experte. Denn schaffe man sich erst eine neue Heizung an und saniere dann, sei die Heizung wegen der erzielten Wärmedämmung womöglich überdimensioniert und überteuert. Allgemein sieht der Vzbv Wärmepumpen als klare Nummer eins beim Ersatz für fossile Heizungen. In Ballungszentren sei auch Fernwärme eine gute Alternative.

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Ein besonderes Problem sieht der VZBV bei Gasetagenheizungen, mit denen in Deutschland ungefähr jede zehnte Wohnung beheizt wird. In solchen Fällen könne nur ein ganzer Wohnblock in einem Aufwasch umgestellt werden, was Streit unter den Mietparteien vorprogrammiere, warnt Engelke. Wer eine alte fossile Heizung betreibe, sei schnell dabei. Wer aber eine relativ junge fossile Heizung habe, mache seine Investition in größerem Umfang wertlos. Für solche Fälle müsse die Politik Entschädigungszahlungen einplanen.

Habeck kompromissbereit nach Kritik an neuen Regeln für Heizungen

Ab 2024 soll möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.

Eine andere Warnung des VZBV betrifft Gasheizungen, die später auch mit grünem Wasserstoff betrieben werden können. Der komme als Betriebsstoff voraussichtlich relativ teuer und es sei auch fraglich, wann er in ausreichender Menge zur Verfügung stehe, geben die Verbraucherschützer zu bedenken. Auch das sei damit kein Argument für neue Gasheizungen. Auch die Strategieberatung Prognos warnt davor.

Sie arbeitet in Sachen klimaneutraler Gebäude dem Bund zu und geht davon aus, dass der Gebäudesektor in Deutschland bis 2030 seine Klimazielen nicht erreicht. Nur wenn jetzt der Hebel hart umgelegt werde, bestehe eine Chance, das in der Zeit danach zu schaffen und die bis 2045 gesetzlich angestrebte Klimaneutralität noch zu erreichen. Denn was heute an Heizungen neu eingebaut wird, sei 2045 in aller Regel noch in Betrieb.

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