Frühjahrstagung des IWF

Der Währungsfonds warnt vor dem Ende der Globalisierung

Das Containerschiff „Spirit“ liegt am Terminal Tollerort im Hamburger Hafen.

Das Containerschiff „Spirit“ liegt am Terminal Tollerort im Hamburger Hafen.

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Frankfurt am Main. Das mit der wirtschaftlichen Erholung läuft, aber der Weg wird holprig, sogar sehr holprig. So lässt sich der aktuelle Ausblick des Internationalen Währungsfonds (IWF) kurz und knapp beschreiben. Aus dem am Montagnachmittag präsentierten Papier geht hervor, dass es in diesem und in den folgenden Jahren zwar Wachstum geben wird, allerdings auf einem historisch niedrigen Niveau. Und zugleich steigen die finanziellen Risiken.

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Deutschland schneidet auffallend schlecht ab. Die IWF-Experten haben ihre Prognosen für die hiesige Volkswirtschaft im Vergleich zum Januar noch einmal nach unten geschraubt. Sie erwarten jetzt für 2023 ein leichtes Schrumpfen der Wirtschaftsleistung (minus 0,1 Prozent). Schwächer ist unter den großen Industrieländern nur noch Großbritannien (minus 0,3 Prozent). Mit einem Plus von 1,1 und 1,0 Prozent sieht es in beiden Ländern auch für 2024 nicht gerade rosig aus.

Die Inflation ist hartnäckiger als gedacht

Große Sprünge sind aber auch in den anderen europäischen Staaten und in den USA nicht zu erwarten. Die Verlangsamung konzentriere sich aktuell auf fortgeschrittene Länder, schreibt IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas in seinem Blogeintrag zum World Economic Outlook (WEC). Die Risiken für Rückschläge dominierten, die Situation bleibe fragil und der Nebel der Unsicherheit werde dichter.

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Punkt eins: Die Inflation erweist sich als erheblich stabiler als vor einigen Monaten noch gedacht. Zwar gehen die Energiepreise wieder runter, aber die sogenannte Kerninflation habe vielfach ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Gemeint ist damit die Teuerung, wenn man Energie und Nahrungsmittel ausklammert. Eine Erfahrung, die viele Verbraucher auch hierzulande machen. Höhere Preise sind bei fast allen Produkten erkennbar – von der Stereoanlage bis zur Lego-Eisenbahn.

Punkt zwei: Gourinchas und seine Leute sehen stabile Arbeitsmärkte, was eigentlich ein gutes Zeichen ist. Dies könnte aber im zweiten Halbjahr zu einer steigenden Konsumnachfrage führen, was wiederum die Inflation anheizen und die Notenbanken zu „stärkeren Straffungen als erwartet“ veranlassen könnte. Also zu höheren Zinsen. Aber immerhin: Wenigstens die Gefahr der vielfach beschworenen Lohn-Preis-Spirale sehen die IWF-Experten nicht. Dafür fielen die Lohnerhöhungen zu schmal aus, vielmehr seien die Gewinnspannen der Unternehmen gestiegen, die dadurch höhere Personalkosten wegstecken können – ohne Preise anzuheben.

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Von einer Rezession in Deutschland gehen die Ökonomen nicht aus.

Punkt drei: Die Finanzbranche könne noch mehr auf die Probe gestellt werden. Nervöse Anleger suchten immer nach den Schwächsten, wie kürzlich bei der Credit Suisse. So ein Fall mit einem Institut mit hoher Verschuldung und großer Abhängigkeit von kurzfristigen Finanzierungen könne sich wiederholen. Mit fatalen Folgen, nämlich einem „Risk-off-Ereignis“: Investoren ziehen sich aus allem, was auch nur ein bisschen nach Risiko riecht, zurück. Kapitalabflüsse, eine massive Aufwertung des Dollar und die Flucht in sichere Anlagehäfen könnten folgen. Mit der Konsequenz eines „erheblichen Rückgangs der globalen Wirtschaftstätigkeit“. Gourinchas schätzt die Wahrscheinlichkeit einer solchen fatalen Abwärtsspirale auf immerhin 15 Prozent.

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Gefahr einer neuen Energiekrise

Auf der Habenseite für dieses Jahr steht die Rückkehr des chinesischen Wirtschaftswachstums – nach der Lähmung durch die Pandemie. Plus 5,2 Prozent erwartet der IWF. Allerdings könnte auch dies gewissermaßen nach hinten losgehen. Mischt sich nämlich die Erholung in der Volksrepublik mit einer Eskalation des Ukraine-Krieges, könnten Preise für Rohstoffe, Energie und Nahrungsmittel wieder in die Höhe schießen. Die EZB und andere Notenbanken wären gezwungen, diesen Inflationsdruck zu bekämpfen – mit massiven Implikationen für Wachstum und finanzielle Stabilität, so der IWF.

Kein Wunder, dass auch die mittelfristigen Projektionen für das weltweite Wachstum massiv gestutzt wurden. Auf nur noch im Schnitt 3 Prozent per annum. Das ist die schwächste Fünf-Jahres-Prognose des WEO seit 1990. „Ein Teil dieses Rückgangs spiegelt die Verlangsamung des Wachstums von zuvor schnell wachsenden Volkswirtschaften wie China oder Korea“, schreibt Gourinchas in seinem Blog. Dies sei vorhersehbar gewesen: Wachstum verlangsame sich, wenn in einst schwächeren Ländern die Kaufkraft steigt und diese zu den starken Volkswirtschaften aufschließen.

Er fügt aber hinzu: „Ein Teil der jüngsten Verlangsamung könnte aber auch bedrohlichere Kräfte widerspiegeln: die vernichtenden Auswirkungen der Pandemie, ein langsameres Tempo der Strukturreformen sowie die wachsende und zunehmend reale Gefahr einer geoökonomischen Fragmentierung.“ Mit mehr Handelsspannungen (siehe USA vs. China), weniger Investitionen und einem langsameren Innovationstempo. Der IWF-Chefvolkswirt schreibt von „fragmentierten Blöcken“. In solch einer Welt sei es unwahrscheinlich, Fortschritt für alle zu erreichen oder globale Herausforderungen wie den Klimawandel oder die Vorbereitung auf Pandemien zu bewältigen. Sein Credo: „Wir müssen diesen Weg um jeden Preis vermeiden.“

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