Die analoge Digitalisierung deutscher Behörden
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/XKWA2BIFX5FINKT74YHYVLJZFE.jpg)
Verlegung von Glasfaserkabeln in Sachsen: Anträge in achtfacher Ausfertigung.
© Quelle: dpa
Berlin. Dass die Digitalisierung in Deutschland besonders langsam voranschreitet, ist ein ärgerliches wie bekanntes Phänomen. Es mangelt an Vielem: Moderner Technologie, klaren Zuständigkeiten, pragmatischen Datenschutzbestimmungen. Das größte Problem aber ist der quälend langsame Ausbau des schnellen Internets. Für Privatnutzer mag es ein Ärgernis sein, wenn die Übertragung des Online-Videos ruckelt, für Wirtschaftsbetriebe ist fehlende Bandbreite existenzbedrohend. Allein 20.000 Gewerbegebiete in Deutschland haben immer noch keinen ausreichend schnellen Netzanschluss.
Angesichts des großen Aufholbedarfes mutet es wie ein Schildbürgerstreich an, was nun aus der Genehmigungspraxis der Netzausbaubehörden bekannt wird. Nicht mal die Digitalisierung funktioniert digital. Sie erfolgt analog – auf Papier. So müssen Unternehmen, die Glasfaseranschlüsse verlegen und Mobilfunkmasten aufstellen wollen, mithin also fürs das Rückgrat der Digitalisierung sorgen, die Genehmigungen für das Aufgraben der Kabeltrassen per Brief beantragen – mit achtfachem Durchschlag. Danach heißt es warten, bevor der Kampf mit verschiedenen Ansprechpartner und Stellen in der Verwaltung beginnt. Unterschiedliche Gesetze in den Bundesländern wollen berücksichtigt werden, verschiedene Genehmigungspraxen in den Kommunen auch. Richtig kompliziert wird die Sache, wenn von den Bauarbeiten auch noch Straßen oder Liegenschaften des Bundes betroffen sind. Oftmals erfahren die Unternehmen noch nicht einmal, wie weit ihr Antrag gediehen ist und wo er gerade hängt.
Nur in Hamburg läuft das Verfahren besser
Unhaltbare Zustände seien das, findet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). „Wir brauchen flächendeckend einfache und voll digitalisierte Genehmigungsverfahren“, fordert DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Das sei im Interesse aller. „Langwierige und schwerfällige Verwaltungsprozesse schrecken Netzausbau-Unternehmen ab“, sagt Wansleben. „Einfache Verfahren locken sie an.“
Um der Politik endlich Beine zu machen, richtet der DIHK zusammen mit dem Industrieverband BDI am Mittwoch eine Veranstaltung zum Thema Gigabit-Netze Berlin aus. „Geht nicht, gibt´ s nicht“, heißt das Motto, unter anderem haben Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ihr Kommen angekündigt. Die Wirtschaftsvertreter wollen der Politik das Beispiel Hamburg näher bringen, wo das Genehmigungsverfahren bereits digital läuft und es sogar ein Online-Portal gibt, in dem Bauunternehmen, Planungsbüros und Architekten nach einer Registrierung abfragen können, wo im Untergrund welche Leitung bereits verlegt ist.
Hamburg ist die große Ausnahme, in den meisten anderen Städten sind die Unternehmen abhängig davon, wie beherzt der jeweilige Bürgermeister in das Genehmigungsverfahren eingreift. Tut er es nicht bleiben der Wirtschaft nur zwei Dinge: Briefe schreiben. Und warten. Wie vor hundert Jahren.
Von Andreas Niesmann/RND