Fachkräftemangel bremst deutsche Digitalbranche
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Um 3,6 Prozent auf 185 Milliarden Euro wachse hierzulande der Branchenumsatz 2022 der Digitalbranche voraussichtlich, sagt Bitkom (Symbolfoto).
© Quelle: EPD
München. Erst kommen die guten Nachrichten. „Die Digitalbranche sticht positiv heraus“, verkündet Achim Berg zum Auftakt des neuen Jahres. Um 3,6 Prozent auf 185 Milliarden Euro wachse hierzulande der Branchenumsatz 2022 voraussichtlich, was erneut fast 40.000 neue Hightechjobs schaffe, sagt der Chef des Digitalverbands Bitkom voraus.
Das setzt auf fast 4 Prozent Branchenwachstum und 34.000 neue Arbeitsplätze im von Pandemie und Chipmangel geprägten Vorjahr auf. Die Digitalwirtschaft ist damit Deutschlands verlässlichster Konjunktur- und Jobmotor. 1,3 Millionen Menschen sollen in ihr Ende 2022 arbeiten. In der vielgerühmten Schlüsselindustrie Automobil sind es nur gut 800.000 Beschäftigte, merkt Berg an. Dann kommt er zur Kehrseite der Medaille.
Dem ansehnlichen Stellenaufbau der Branche stehen nämlich aktuell 96.000 unbesetzte Stellen bundesweit gegenüber. „Das wird sich 2022 deutlich verschlimmern“, prognostiziert Berg. Weit über 100.000 IT-Fachkräfte vor allem im boomenden Softwarebereich würden bis Ende des Jahres in Deutschland fehlen. Das liege vor allem an mangelnder Ausbildung in heimischen Hochschulen und auch daran, dass US-Firmen im Vergleich zur deutschen Konkurrenz mehr Gehalt für begehrte IT-Spezialisten zahlen.
In jedem Fall vernichtet der wachsende Fachkräftemangel viel Wachstumspotenzial. „100.000 fehlende Experten machen locker ein Prozent Branchenwachstum aus“, hat Berg ausrechnen lassen. Das sei an sich schon ärgerlich, mit Blick auf das internationale Geschehen aber fatal.
Denn die USA und asiatische Länder wie China und Indien hätten weit höhere digitale Wachstumsraten und würden Deutschland abhängen. Mit unter 4 Prozent Umsatzplus in der Digitalwirtschaft liegt die Bundesrepublik sogar unter dem globalen Schnitt. Indien schafft gut 9 Prozent. China und die USA kommen auf rund 5 Prozent. In Europa digitalisiert auch Großbritannien mit 4,5-prozentigem Zuwachs der Digitalwirtschaft stärker als Deutschland.
Deutschlands Weltmarktanteil liegt nur noch bei knapp 4 Prozent
Diese Trends sind nicht neu, sondern seit Jahren anhaltend. Sie haben dazu geführt, dass das Hightechland Deutschland in der Digitalwirtschaft mittlerweile nur noch auf knapp 4 Prozent Weltmarktanteil kommt. Vor wenigen Jahren waren es noch rund 6 Prozent. Ein Drittel aller Digitalinvestitionen fließen derzeit in den USA. Danach folgen China mit knapp zwölf und Japan mit 6 Prozent. „Der Abstand zu Deutschland wächst Jahr für Jahr“, stellt Berg klar und hofft nun auf die neue Bundesregierung.
Die habe in ihrem Koalitionsvertrag gerade mit Blick auf Digitalisierung große Versprechen gemacht, die dringend eingelöst werden müssten. Dabei sieht Bitkom den Staat auch als digitales Vorbild gefragt und fordert eine Abschaffung aller Schriftformerfordernisse von Bürgerinnen und Bürgern im Umgang mit Behörden bis Ende 2023. Dazu müssten bis Ende dieses Jahres digitale Brieftaschen eingeführt werden, die amtliche Dokumente wie Führerschein oder Personalausweis auf Smartphones speichern.
Eine zweite wichtige Stellschraube für einen beschleunigten digitalen Aufbruch sieht Berg in nationalen Datenräumen vor allem für Verkehr und Gesundheit. Wenn staatliche Planer und Unternehmen endlich Zugriff auf anonymisierte Verkehrsdaten bekämen, könne man damit Verkehrsströme nach ökologischen Gesichtspunkten steuern, wirbt der Bitkom-Chef. Eine Betreibergesellschaft zur Nutzung solcher Daten sei gegründet.
Für einen Gesundheitsdatenraum sei eine solche zudem in Arbeit. Derzeit müssten deutsche Firmen, die im Gesundheitsbereich Innovationen entwickeln, dazu nötige Daten noch aus den USA importieren, beschreibt Berg die digitale Gegenwart Deutschlands. „Ob Klima, Pandemie oder Standortwettbewerb – Digitalisierung ist die Antwort und ein entscheidender Teil der Lösung von Krisen und Herausforderungen unserer Zeit“, findet der Digitalexperte.