General Motors bringt Trumps Wahltaktik ins Wanken
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Das GM-Logo an der Zentrale des Unternehmens in Detroit.
© Quelle: imago/UPI Photo
Washington. Auf den ersten Blick sind die Zahlen schwer verständlich. General Motors will 14.000 Mitarbeiter entlassen, obwohl der Konzern gerade erst Anfang November einen Quartalsgewinn von rund zwei Milliarden Euro und eine Rendite von zehn Prozent erwirtschaftet hatte.
Die scheinbar widersprüchliche Botschaft hatte sich vor einigen Wochen angedeutet, als der größte amerikanische Autohersteller all denjenigen eine Abfindung anbot, die kurzfristig das Unternehmen verlassen würden. So mancher Fabrikarbeiter rieb sich verwundert die Augen: Die Kauflaune in den USA war selten so gut wie in diesem Jahr, und die Verkäufer erzielen mit den großen Pick-up-Trucks einen Rekorderlös nach dem anderen.
Gefragt sind Elektroantrieb und selbstfahrende Autos
Der Pritschenwagen, der ursprünglich nur für den kleinen Landwirt von nebenan gedacht war, hat sich zu einem Kultfahrzeug entwickelt, für das viele Kunden bereitwillig mehr als 40.000 Euro zahlen.
Die gute Laune bei Verkäufern und Käufern lenkte offenbar von den dunklen Wolken ab, die sich seit langer Zeit am Horizont abzeichnen: Die automobile Zukunft, darin ist sich Konzernchefin Mary Barra sicher, gehört dem Elektroantrieb und den selbstfahrenden Fahrzeugen. Tatsächlich will sich GM zwar von tausenden Verwaltungs- und Fabrikarbeitern trennen, sucht aber gleichzeitig Software-Entwickler und Ingenieure für die neuen Herausforderungen.
Von den Schließungsplänen betroffen sind kurioserweise zuallererst Fabriken, die auf die Produktion von ebenso kleinen wie spritsparenden Fahrzeugtypen spezialisiert sind. Das Problem der umweltfreundlicheren Autos: Da der Liter Benzin in Amerika für umgerechnet etwa 60 Cent zu haben ist, besitzt der niedrige Kraftstoffverbrauch nicht die oberste Priorität. Hoch im Kurs stehen vielmehr robuste Kleinlaster, mit denen sich auch löchrige Straßen bequem passieren lassen.
Handelskonflikte dämpfen die Zuversicht
Es zählt wohl zur Ironie der Donald Trump-Ära, dass die jüngsten politischen Entscheidungen vor allem die Produktion eben dieser Modelle erschweren. So schlagen die neuen Importzölle auf Aluminium und Stahl bei GM mit zusätzlichen Kosten von etwa einer Milliarde Euro vor allem bei den Pick-up-Trucks zu Buche. Diese unerwarteten Ausgaben sind nach Angaben der Konzernführung zwar nicht der alleinige Grund der Entlassungen, sie würden den internen Umbau aber zusätzlich erschweren, heißt es in Detroit.
Und nicht nur das: Der eskalierende Handelskonflikt mit China würde die Zuversicht nicht nur bei General Motors dämpfen, sondern ebenso bei Konzernen wie Ford und Boeing. Die wachsende Unsicherheit würde sich nach Ansicht von New Yorker Analysten zunehmend an den sinkenden Investitionen ablesen lassen.
Donald Trump sichtlich verärgert
Wie sich am Montag zeigte, ist sich der Präsident der brisanten Lage offenbar bewusst. Sichtlich verärgert stellte sich Trump vor dem Weißen Haus den Fragen der Journalisten und betonte, mit Konzernchefin Barra ein „klärendes Gespräch“ geführt zu haben: „Ich setze darauf, dass sie zügig andere Modelle finden, die in den betroffenen Fabriken gebaut werden.“ General Motors habe schließlich während der Finanzkrise vor zehn Jahren in hohem Maße von der Regierung profitiert: „Sie sollten nicht vergessen, dass ihnen damals sehr geholfen wurde.“
Trumps Ärger kommt nicht von ungefähr: Die Fabrikschließungen treffen ausgerechnet die Regionen, die für den Amtsinhaber aus strategischen Gründen wichtig sind. So hatte der 72-Jährige seinen Wahlsieg nicht zuletzt seinen Wählern in Michigan zu verdanken, die im November 2016 mit einem knappen Vorsprung von nur 11.000 Stimmen für den Republikaner gestimmt hatten. Noch vier Jahre zuvor hatte die Mehrheit dort für Barack Obama gestimmt. Zu allem Unglück für den Präsidenten ist auch eine Fabrik in Ohio betroffen – ebenfalls ein Bundesstaat, der in den wahltaktischen Überlegungen des Amtsinhabers eine enorme Rolle spielt.
Von Stefan Koch/RND