Geplatzter Börsengang: Will China Alibaba-Gründer Jack Ma absägen?
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(140919) -- NEW YORK, Sept. 19, 2014 -- Jack Ma , board chairman of Alibaba Group, waves at the New York Stock Exchange on Sept. 19, 2014. China s e-commerce giant Alibaba Group on Friday morning rang the opening bell at the New York Stock Exchange (NYSE), marking its initial public offering (IPO) on Wall Street. ) US-NEW YORK-ALIBABA-IPO WangxLei PUBLICATIONxNOTxINxCHN New York Sept 19 2014 Jack MA Board Chairman of Alibaba Group Waves AT The New York Stick Exchange ON Sept 19 2014 China S e Commerce Giant Alibaba Group ON Friday Morning Rank The Opening Bell AT The New York Stick Exchange NYSE marking its Initial Public Offering IPO ON Wall Street U.S. New York Alibaba IPO PUBLICATIONxNOTxINxCHN
© Quelle: imago/Xinhua
In China gibt es eine weitverbreitete Volksweisheit, die in etwa besagt: Derjenige Nagel, der am höchsten herausragt, wird zuerst eingeschlagen. Am Dienstag schließlich hat der staatliche Vorschlaghammer den reichsten Mann des Landes getroffen: Unternehmer Jack Ma, der mit dem Rekordbörsengang seiner Ant Group Geschichte schreiben wollte.
Seit Wochen bereits fieberten Anleger dem spektakulären Deal entgegen, über 37 Milliarden US-Dollar hatte das Fintech-Unternehmen aus Hangzhou bereits eingesammelt. Mehr noch als die schiere Dimension überraschte die geplante Börsennotierung mit seiner Kampfansage an die Wall Street: Der Finanzdienstleister Ant hätte schließlich in Shanghai und Hongkong gelistet werden sollen.
War Jack Ma zu aufmüpfig?
Daraus wird nun zumindest vorerst nichts; offiziell hatte die Shanghaier Börse erklärt, dass Ant Group seine Offenlegungspflichten nicht erfüllen könnte. Man wolle „die Kapitalmarktstabilität und das Interesse der Investoren schützen“, legte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Mittwoch nach. Tatsächlich agiert die Ant Group diametral zu den bürokratischen Großbanken Chinas, die vor allem Kredite an aufgeblähte Staatsunternehmen gewähren. An Ant hingegen wenden sich vor allem mittelständische Geschäftsleute und normale Konsumenten für Darlehen.
Doch im modernen China erzählt der offizielle Grund niemals die ganze Wahrheit. Vieles legt nahe, dass Jack Ma den Preis für eine gewagte Rede von vor zwei Wochen zahlen muss. Damals hat er in Shanghai beim Bund Financial Forum einen Vortrag gehalten, der sich wie eine Kampfansage an das chinesische Bankensystem liest. „Die heutigen Banken setzen die Pfandhausmentalität fort“, sagte der studierte Englischlehrer etwa. Und: Jene Mentalität könne „die finanziellen Bedürfnisse der globalen Entwicklung der nächsten 30 Jahre nicht unterstützen“.
Großbanken seien wie Flüsse, fügte Ma in seiner metaphorischen Sprache an. Was es jedoch brauche, seien Seen und Teiche, Bäche und Sümpfe. Ohne diese würde man in den Fluten untergehen. Besonders prekär: Im Publikum saß die Elite von Chinas Finanzsystem dicht an dicht – und höchster Wahrscheinlichkeit nach erzürnt über die Aufmüpfigkeit Jack Mas.
Aktie des Mutterkonzerns Alibaba bricht ein
Seine Ant Group steht nun massiv unter Druck. Der Mutterkonzern Alibaba, größter Anteilseigner mit einem Drittel Firmenbesitz, hat an der Hongkonger Börse am Mittwoch einen regelrechten Sturzflug hingelegt: Über 7 Prozent brach der Kurs des Onlinehandelshauses ein.
Bereits vor zwei Jahren kochten Gerüchte auf, dass die Staatsführung der Kommunistischen Partei seinen Unternehmerstar Jack Ma aufs Abstellgleis geschoben habe: Damals nämlich kündigte der heute 56-jährige Geschäftsmann seinen Rücktritt aus dem Tagesgeschäft seines E-Commerce-Imperiums an. Reichlich früh für einen Mann voller Tatendrang und auf der Höhe seines Zenits, munkelten einige Beobachter. Die Vermutung lag schnell auf der Hand: Dem paranoiden Chefideologen Chinas, Staatschef Xi Jinping, wurde Ma zu mächtig.
Jack Ma personifiziert den „chinesischen Traum“
Jene Thesen haben sich seither allerdings bislang nicht bestätigt. Ma ist in den heimischen Medien präsenter als je zuvor. Vielmehr lässt sich sein Werdegang als eine Art Bill-Gates-Transformation beschreiben: Der Alibaba-Gründer fokussiert sich mit seiner Stiftung vorwiegend auf philanthropische Projekte, doch hält durch seine Firmenanteile nach wie vor die Fäden in der Hand.
Tatsächlich kann es sich die Kommunistische Partei nicht leisten, ihren schillerndsten Entrepreneur abzusägen. Denn Jack Ma personifiziert wie kein zweiter den „chinesischen Traum“: Als einfacher Student kämpfte er sich mit Ehrgeiz und visionären Ideen – und nicht, wie sonst in China üblich, dem richtigen Familienhintergrund – zu Wohlstand und Erfolg. Damit prägte er eine ganze Generation an Start-up-Gründern und Unternehmern, die sich von den alten Strukturen lossagen wollten.
Wenn Jack Ma also fällt, dann platzt letztendlich auch das Versprechen, dass es in China jeder zu Geld schaffen kann. Genau dies aber wäre eine große Gefahr für die soziale Stabilität im Land, nehmen die Chinesen doch die umfassenden Repressionen des autoritären Systems vor allem deswegen hin, weil sie eine Aussicht auf eine materiell bessere Zukunft haben.