Kabel, Karten und Kilometer: mein Debüt als E-Auto-Fahrer

Der elektrisch angetriebene Kia e-Soul am historischen Hafenbecken von Hooksiel.

Der elektrisch angetriebene Kia e-Soul am historischen Hafenbecken von Hooksiel.

Es ist 15.45 Uhr. Ich will Christof nicht anrufen. Ich will einfach nicht. Aber die Fähre legt um 16.30 Uhr ab. Ich habe bisher weder Ticket noch Parkplatz. Der Fähranleger ist zwei Kilometer entfernt – und ich bekomme das Ladekabel weder aus der Ladesäule noch aus der Ladebuchse des KIA e-Soul. Kraft hat nicht geholfen, eine Onlinefehlersuche bei Google auch nicht. Erstmals in meinem Leben fahre ich ein E-Auto. Erstmals nutze ich eine Ladesäule, hier auf dem Supermarkt-Parkplatz im friesischen Carolinensiel. Eben habe ich mich noch amüsiert. Als mir das Display anzeigte: Verbleibende Ladezeit bis 100 Prozent – noch sechs Stunden und zehn Minuten! Ich will auf die Nordseeinsel Wangerooge. Dort ist das Motto – und wird jedem Besucher auf dem Schild am Holzgebäude im Hafen angezeigt: „Gott schuf die Zeit, von Eile hat er nichts gesagt.“

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Aber zur Entschleunigung auf Wangerooge ist Beschleunigung an der Ladesäule nun dringend geboten. 15.55 Uhr. Eile schlägt Eitelkeit. Ich rufe Christof an. Den Kollegen, der mir das E-Auto geliehen hat, der mir das Mäppchen mit dem halben Dutzend Ladekarten gegeben hat. Zwei davon waren schwarz. Eine der beiden nutzte ich zum Starten des Ladevorgangs. Und so fällt mir im Gespräch mit Christof auf, dass ich zum Entkoppeln die andere schwarze Karte an die Säule gehalten habe. Mehrfach. Menschliches Versagen statt Minuspunkt beim ersten Erleben automobiler Erfahrung. Christof lacht, ich auch. Die richtige schwarze Karte entkoppelt das Kabel. Hurra. Auf einen Schlag ist meine Laune wieder so gut wie auf den 237 Kilometern, die ich den Kia e-Soul genutzt habe.

Beim Start in Hamburg hatte das Display bei fast komplett aufgeladenem Akku eine Reichweite von 387 Kilometern angezeigt. Das ist theoretisch. Das gefahrene Tempo, aber auch das Nutzen von Energie (hier zum Beispiel das Aufdrehen der Heizung), greifen auf den Batteriespeicher zu – und reduzieren somit die Reichweite. Anders gesagt: Frieren verlängert die Fahrt. Und weil ich zu viel Respekt vor einem langen Ladevorgang hatte, wollte ich auf dem Weg nach Carolinensiel das Nachladen unbedingt vermeiden. Ergo: nie schneller als 120 km/h gefahren, Heizung aus. Folge: Immerhin werden noch 40 Kilometer Reichweite angezeigt, als ich die Ladesäule in Carolinensiel ansteuere.

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Es lässt sich nicht leugnen: Als E-Auto-Anfänger bestimmt das Laden das Denken. Einfach, weil es nicht so selbstverständlich wie das Nachtanken bei einem Verbrenner ist. Das Tankstellennetz ist so dicht, dass Nachtanken nahezu nie zum Problem wird.

Aber Ladesäulen gibt es deutlich weniger. Und sie sind nicht immer frei, nicht immer funktionstüchtig. Sie sind oft langsam, oder sie akzeptieren die Karten nicht, die man besitzt. Kurzum: Das Fahren mit dem E-Auto benötigt mehr Planung und Vorbereitung. Zumindest im ländlichen Raum. Daher hatte ich Wochen vorher bei den Inselgaragen am Hafen von Harlesiel angerufen und mich erkundigt: „Kann ich bei Ihnen ein E-Auto aufladen?“ Friesisch freundlich und unkompliziert wurde mir das Nutzen einer Steckdose versprochen: „Moin. Auftanken machen wir, für einen Zehner.“ Deal.

Sehr nett, sehr unkompliziert. Aber natürlich fragt man sich: Muss nicht gerade an derlei Orten eine ganze Armada von Ladesäulen stehen – wenn die Mobilitätswende weg vom Verbrenner gelingen soll? Wie toll wäre es, wenn die Urlauber nach der Rückkehr von der Insel in ihr voll geladenes E-Auto steigen würden?

Aber zur Säule auf den Supermarkt-Parkplatz? Sechs Stunden laden? Das kann auf Dauer nicht die Lösung sein. Immerhin: Die Ladesäulendichte steigt massiv an. Aktuell sind es bundesweit bereits über 40.000. Auf 100 Straßenkilometer kommen aktuell etwa 19 Säulen. In den Niederlanden sind es freilich fast 50. Kurzum: Es gibt noch reichlich zu tun, um die Infrastruktur zu schaffen, die das E-Auto mehrheitsfähig macht.

Schön wäre das. Denn E-Auto-Fahren ist anders. Subjektiv bewertet: besser. Vor allem, weil es so viel leiser ist. Das Anlassen des Fahrzeuges passiert so geräuschlos, dass man es kaum merkt. Der Kia e-Soul gleitet dynamisch dahin. Es ist ein angenehmes Fahrgefühl. Gerne mehr davon, aber dafür braucht es halt mehr Ladesäulen. Vor allem Schnellladesäulen natürlich. Sechs Stunden und zehn Minuten sind als Ladezeit nur akzeptabel, wenn es so zum Beispiel nachts über die eigene Wallbox an der heimischen Garage passiert.

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Ich habe die Fähre nach Wangerooge dann doch noch bekommen. Drei Tage später steige ich wieder in den voll aufgeladenen Kia. 407 Kilometer Reichweite werden angezeigt. Trotzdem lasse ich zur Sicherheit die Heizung aus und fahre wieder nicht schneller als 130 km/h. Es sind noch 100 Kilometer nach Hamburg, als ich doch noch mutig die Heizung aufdrehe. Denn ich bin mir sicher: Nachladen wird nicht mehr erforderlich sein.

Am Abend sind wir zum Geburtstag eingeladen. Kein „normaler“ Parkplatz weit und breit. Aber gleich zwei Ladestationen praktisch vor der Haustür. Perfekt. Die Parkdauer ist auf zwei Stunden begrenzt. An dieser Säule bedeutet das, dass die Batterie immerhin auf 75 Prozent gefüllt wird. Dann koppele ich – dieses Mal problemlos – das Kabel ab. Ich fühle mich sehr souverän dabei.

Zwei Minuten später bekomme ich eine Whatsapp von Christof. Warum ich denn den Ladevorgang abgebrochen hätte? Das hätte ihm gerade Kia mitgeteilt. Unfassbar. Woher wissen Christof und vor allem Kia das? Auch das ist die neue Mobilitätswelt. Umfassende Vernetzung, Transparenz, Nachverfolgung. Für Kia war ich als Christof unterwegs, auf den der Wagen personalisiert ist. Schön, dann ist Christof in der Kia-Datenbank vermutlich als der Ladekabelkartendepp von Carolinensiel vermerkt. Offiziell habe ich damit nichts zu tun.

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