Kursflaute bei Bitcoin und Co. – zwischen Vertrauenskrise und Zukunftshoffnung
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Sam Bankman-Fried (links), Gründer der insolventen Kryptobörse FTX, wird aus dem Gericht zu seinem Auto begleitet.
© Quelle: Julia Nikhinson/AP/dpa
Hinter Anlegern von Kryptowährungen liegt ein höllisches Jahr: Die Marktkapitalisierung der größten Kryptowährungen ist seit November 2021 um etwa drei Viertel gefallen, von drei Billionen auf aktuell 750 Milliarden Dollar. Der Bitcoin ist statt damals rund 64.000 nur noch 16.500 Dollar wert, aus dem Kurstief kommt er nicht heraus. Bei anderen Digitalwährungen sieht es kaum besser aus, während 2022 gleich mehrere spektakuläre Crashs die Branche erschütterten – und dem digitalen Geld eine veritable Vertrauenskrise einbrockten.
Neben dem Zusammenbruch der vermeintlich stabilen Digitalwährung TerraUSD und der Kreditplattform Celsius sowie einer Reihe kleiner Abstürze und Betrugsnummern liegt das vor allem an der Pleite von FTX: Mutmaßlich wurden Kundeneinlagen der US-Kryptotauschbörse genutzt, um Finanzlöcher bei einem Schwesterunternehmen zu stopfen, nachdem sich dieses mit verschiedenen Kryptowährungen verspekuliert hatte. Bei FTX liegendes Geld von Kundinnen und Kunden bot womöglich Abhilfe – und fehlte, als diese digitale Münzen in echte Dollars tauschen wollten. Schlussendlich soll der Schaden nach Medienberichten etwa 7 Milliarden Dollar betragen.
Haarsträubendes Chaos bei Branchengrößen
Gegen den FTX-Gründer, den 30-jährigen Sam Bankman-Fried, ermitteln US-Behörden mittlerweile wegen Finanzbetrugs und Geldwäsche. Doch schwerer als die möglicherweise kriminelle Energie wiegen die Erkenntnisse aus dem Insolvenzverfahren: Weder sei in den milliardenschweren Firmen Buch geführt worden noch gebe es geprüfte Abschlüsse, beklagte Insolvenzverwalter John J. Ray III vor Gericht. Es habe insgesamt sehr viel Macht „in den Händen einer sehr kleinen Gruppe unerfahrener, unbedarfter und potenziell gefährdeter Personen“ gelegen, so Ray.
Gründer von insolventer Kryptobörse FTX auf den Bahamas festgenommen
Nach dem Kollaps der Kryptobörse FTX hat nun die Polizei der Bahamas Ermittlungen eingeleitet. Es solle untersucht werden.
© Quelle: Reuters
„Haarsträubend“ nennt Sören Hettler, Leiter Anlagestrategie und Privatkunden bei der DZ-Bank, derartige Schilderungen über das Innenleben einer der größten Tauschbörsen. Hettler ist selbst ein langjähriger Kryptokenner und sieht nun einen gravierenden Vertrauensverlust, bedingt durch einen massiven Mangel an Transparenz auf dem Kryptomarkt: „Es gibt vielerorts keine etablierte Regulierung, keine ausreichenden Berichtspflichten, schlicht keine Zahlen“, sagt Hettler.
Das Vertrauen in Kryptowährungen leidet
Dabei ist Vertrauen das, was über den Wert jeglicher Währung entscheidet – und es sollte eigentlich den Kern von Bitcoin und Co. ausmachen: Nicht Zentralbanken würden den Wert von Geld sichern, sondern die kryptografisch abgesicherte Blockchain, so das Versprechen. „Eine Kryptowährung kommt ohne Vertrauen in Institutionen aus, stattdessen geht es um das Vertrauen in den Softwarecode“, sagt etwa Philipp Sandner, Ökonom an der Frankfurt School of Finance and Management.
Er gehört zu den vehementesten Befürwortern von Kryptowährungen in Deutschland, selbst dem dramatisch abgestürzten Bitcoin attestiert er langfristig eine Zukunft als Wertspeicher, der vor Inflation schützt. Die FTX-Pleite ist aus seiner Sicht kein hiesiges Problem, nur 20.000 von acht Millionen Geschädigten kämen aus Deutschland. „In Europa und insbesondere in Deutschland gibt es gute Börsen mit Bafin-Stempel, das ist ein Erfolg der hiesigen Regulierung“, meint Sandner.
Ob sich die Kurse erholen, ist unklar
Hohe Kurse garantiere Regulierung allerdings keinesfalls, betont indes Hettler: „Für erneute Kursgewinne ist die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit und des Anlegervertrauens eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung.“ Die Nachfrage nach Bitcoin und Co. leide auch unter der neuerdings restriktiveren Geldpolitik und den vergleichsweise hohen Renditen in anderen Anlageklassen.
„Und selbst wenn sich beides wieder ändern würde, müssen die Kurse nicht zwingend wieder steigen“, meint Hettler außerdem – und klingt fast wie die Europäische Zentralbank (EZB): Weder tauge der Bitcoin als Zahlungsmittel noch sei er mangels generierter Dividenden und Cashflows ein Investment. „Die Marktbewertung des Bitcoin basiert deshalb ausschließlich auf Spekulation“, urteilten die EZB-Ökonomen Ulrich Bindseil und Jürgen Schaaf jüngst in einem Blogbeitrag.
Die Technologie bleibt interessant
In den Vordergrund rücken für Kenner wie Hettler nun zunehmend andere Einsatzzwecke der Blockchain, immerhin lassen sich mit ihr einzigartige und somit handelbare digitale Objekte erzeugen: „Das Vertrauen in Kryptowährungen ist angekratzt, das in die zugrunde liegende Distributed Ledger Technologie nicht“, meint der Banker. Bei der DZ-Bank arbeite man etwa an einem Giralgeld-Token. Damit wird im Prinzip der Euro auf die Blockchain gebracht, was bei der Abwicklung rascher und internationaler Transaktionen hilfreich sein kann.
Als echte Kryptowährung will Hettler den Giralgeld-Token indes nicht verstanden wissen, obgleich ihm zufolge auch die DZ-Bank den Volksbanken demnächst ermöglichen will, andere Kryptowährungen über ihr Kundenportal zu kaufen. Dass die immer noch einige sehr überzeugte Fans haben, bestreitet auch Hettler nicht. „Allerdings geht an vielen Stellen auch die für eine sinnvolle Investitionsentscheidung notwendige Objektivität verloren“, meint er insbesondere mit Blick auf Bitcoin-Fans, die immer noch jeden freien Cent in die Digitalwährung pumpen.