Kampf um die Zukunft der Autoindustrie

Die Jagd nach dem weißen Gold: Wie Europa genügend Lithium fördern könnte

Weißes Gold: Lithiumhydroxid, das im Frankfurter Labor von AMG hergestellt wird. Das US-Unternehmen testet derzeit im Industriepark Höchst die Verfahren, mit denen von Ende des Jahres an in einer neuen Raffinerie in Bitterfeld der reaktionsfreudige Stoff für Batterien produziert werden soll.

Weißes Gold: Lithiumhydroxid, das im Frankfurter Labor von AMG hergestellt wird. Das US-Unternehmen testet derzeit im Industriepark Höchst die Verfahren, mit denen von Ende des Jahres an in einer neuen Raffinerie in Bitterfeld der reaktionsfreudige Stoff für Batterien produziert werden soll.

Frankfurt am Main. Es sieht wie etwas zu grobkörnig geratener Zucker aus. Es ist der Stoff, der eng mit der Zukunft der Automobilindustrie verknüpft ist. Denn Lithiumhydroxid gehört zu den wichtigsten Materialen für die Akkus von Elektroautos. Hier drohen neue Abhängigkeiten von China. Eine Selbstversorgung der Europäer ist aber möglich. Doch dafür muss noch einiges geschehen.

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Die Preisentwicklung ist atemberaubend, insbesondere in China. Obwohl die Notierungen für chinesisches Lithium an den Rohstoffmärkten in den vergangenen Monaten um fast ein Drittel eingebrochen sind, liegen sie noch immer achtmal so hoch wie vor zwei Jahren.

Kein Wunder, dass wahlweise von Goldrausch oder auch weißem Gold die Rede ist. Immerhin rechnen Experten damit, dass sich der Bedarf in Europa in den nächsten drei, vier Jahren verdoppeln könnte, weil immer mehr Elektroautos gekauft werden. Analysten der kanadischen Scotiabank betonen, „nach 2024 sind wir ratlos, woher das Angebot kommen soll, um die Nachfrage zu befriedigen“. Auch die Bundesregierung betont auf ihrer Website, dass der Bedarf nach Rohstoffen wie Lithium „deutlich ansteigen“ wird. Und die EU-Kommission hat auf ihrer Agenda für 2023 ein Konzept, das die „strategischen Abhängigkeiten bei kritischen Rohstoffen“ verringern soll.

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Neue Raffinerie in Bitterfeld

Im krassen Gegensatz dazu gibt es zwar viele Dutzend Projekte zur Förderung und Aufbereitung des reaktionsfreudigen Leichtmetalls und für eine Weiterverarbeitung zu Autobatterien. Doch das meiste steht bislang nur auf dem Papier.

Eine Ausnahme macht die US-Firma Advanced Metallurgical Group (AMG). Sie lässt gerade eine Lithiumraffinerie im Bitterfeld-Wolfen bauen. „Unsere Branche befindet sich im Aufbruch. In Europa wollen wir die Ersten sein und präsent sein, wenn der Hochlauf der Elektromobilität beginnt“, sagte Stefan Scherer, Chef der Lithium-Sparte von AMG, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Das Werk in Sachsen-Anhalt soll Ende des Jahres die Produktion aufnehmen. Das erste sogenannten Modul kann jährlich 20.000 Tonnen Lithiumhydroxid produzieren, damit können etwa 500.000 Elektroautos mit Akkus ausgestattet werden. Vertraglich vereinbart ist bereits die Lieferung von mindestens 5000 Tonnen an die südkoreanische Firma Eco-Pro, die in Ungarn das Lithiumhydroxid zu Kathodenmaterial weiterverarbeiten wird.

Es ist möglich, in Europa die gesamte Wertschöpfungskette zur Fertigung von Batterien für Elektroautos aufzubauen.

Stefan Scherer,

Chef der Lithium-Sparte der US-Firma Advanced Metallurgical Group (AMG)

Doch das soll nur ein Anfang sein: „Unser Ziel ist, die Kapazität der Bitterfelder Raffinerie im Laufe der nächsten Jahre auf 100.000 Tonnen Lithiumhydroxid jährlich zu steigern“, so Scherer. Insgesamt werde dies Investitionen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro erfordern. Ein wichtiges Element für den Standort Bitterfeld sei, dass auch eine Recycling-Lösung für Lithium aus gebrauchten Batterien aufgebaut werde.

China dominiert

Der Rohstoff für die ersten 20.000 Tonnen wird in Brasilien im Tagebau aus Gestein in einer AMG-eigenen Mine gewonnen, die die international geltenden Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards erfülle.

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Doch Scherer betont auch: „Es ist möglich, in Europa die gesamte Wertschöpfungskette zur Fertigung von Batterien für Elektroautos aufzubauen.“ Das würde ins Konzept von Bundesregierung und EU-Kommission passen.

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Derzeit ist China das wichtigste Land in der globalen Lithium-Wirtschaft, nicht nur weil dort die mit Abstand meisten E-Pkw verkauft werden und ein enormer Knowhow-Vorsprung bei der Batterie-Technik erarbeitet wurde. In der Volksrepublik wurden in den vergangenen Jahren auch riesige Lithium-Vorkommen erschlossen, und vor allem befindet sich dort mehr als die Hälfte der globalen Raffinerie-Kapazitäten zur Aufbereitung und Veredelung, wodurch das Leichtmetall überhaupt erst tauglich für Batterien wird.

Klar ist indes: Es gibt in Europa hinlänglich viele Lagerstätten. Für Deutschland werden immer wieder vor allem die Vorkommen tief im Erdreich des Erzgebirges und im Oberrheingraben genannt. „Die entscheidende Frage aber ist, wie die häufig sehr aufwendige Förderung auf den Weg gebracht werden kann“, erläutert Scherer. Dabei sei entscheidend, dass Lithium in unterschiedlichen Formen und mit unterschiedlichen Verunreinigungen vorkomme, für die jeweils eigene Methoden der Gewinnung und Aufbereitung entwickelt werden müssten.

Der AMG-Manager spricht denn auch von einer „sehr herausfordernden Aufgabe“. Das Beispiel der Bitterfelder Raffinerie mit einem Investitionsvolumen von 140 Millionen Euro für das erste Modul zeige, wie hoch der Kapitalbedarf sei, um Wertschöpfungsketten aufzubauen. „Dafür braucht es staatliche Förderung“, so Scherer. Die Förderbank KFW sei prädestiniert.

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Sein Appell: „Ich empfehle dringend, die Anstrengungen in diese Richtung zu intensivieren, um von asiatischen Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette unabhängig zu werden. Denn Batterietechnologien werden zu einer Schlüsselindustrie werden.“

Konkurrenz durch die USA

Unterstützung für diese Forderungen gibt es von der Brüsseler Denkfabrik Transport & Environment (T&E). Aus einer aktuellen Studie geht hervor, dass die Abhängigkeit der EU von China bei der Veredelung und Verarbeitung von Batteriemetallen bis 2030 drastisch gesenkt werden kann. Möglich sei, mehr als 50 Prozent des europäischen Bedarfs aus eigener Produktion zu decken.

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Allerdings kommen nun noch die USA ins Spiel. Präsident Joe Biden offeriert mit dem Inflation Reduction Act (IRA) massig staatliche Subventionen, die bei Weitem europäische Förderquoten überbieten – was unter anderem dazu geführt, dass die Pläne für das Batteriewerk von Tesla in Grünheide (Brandenburg) auf Eis gelegt wurden. Tesla-Chef Elon Musk will stattdessen eine Gigafactory in den Staaten hochziehen. Sebastian Bock, Direktor von T&E Deutschland: „In Europa müssen mehr finanzielle Mittel bereitgestellt werden oder wir riskieren, geplante Batteriefabriken an Amerika zu verlieren.“ Er fordert, die Sache im großen Stil anzugehen und einen „europäischen Souveränitätsfonds“ einzurichten, der durch die gemeinsame Ausgabe von Anleihen der EU-Staaten finanziert werde. Das ermögliche eine Industriestrategie in ganz Europa und nicht nur in finanzstarken Ländern.

Scherer mahnt derweil, weiter zu denken: „Ein maßgeblicher Punkt ist, an Hochschulen zusätzliche Lehrstühle mit Praxisbezug im Bereich der Materialwissenschaften und Verfahrenstechnik für Batteriematerialien sowie die Attraktivität und Möglichkeiten bei benötigten Ausbildungsberufen zu schaffen. Das ist dringend nötig, um das Knowhow aufzubauen, das wir brauchen, um im internationalen Wettbewerb mitzuhalten.“ Immerhin steht die nächste Generation von Autobatterien quasi schon vor der Tür: „Wir gehen davon aus, dass Feststoffbatterien als disruptive Technologie wirksam werden und der Elektromobilität einen enormen Schub bringen.“ Die Serienreife werde vermutlich bis Ende der Dekade erreicht. Er fügt hinzu: „Unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung befasst sich bereits intensiv damit, Lithiummaterialien für die Feststoffbatterien zu entwickeln.“

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