Markus Braun im Wirecard-Prozess: Schurke oder Trottel?
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Der frühere Wirecard-Vorstandschef Markus Braun steht vor Beginn der Fortsetzung im Wirecard-Prozess auf seinem Platz im Gerichtssaal.
© Quelle: Angelika Warmuth/dpa
Stundenlang hat Markus Braun am Montag vor Gericht seine Sicht auf den Wirecard-Skandal dargelegt, aber das Entscheidende stellte der Angeklagte von vornherein klar: seine angebliche Unschuld. Er habe vom großen Betrug im eigenen Unternehmen nichts geahnt, sagt der Mann, der aus einer Klitsche einen – kurzlebigen – Weltkonzern machte.
Für Braun gibt es in diesem Skandal nur zwei mögliche Rollen: Er kann als Schurke oder als überforderter Trottel dastehen. Beides ist nicht schön, aber nur eins strafrechtlich relevant. Hat er selbst mit Komplizen ein Lügengebäude gebaut, um Banken und Anlegern Geld für nicht existierende Geschäfte aus der Tasche zu ziehen? Oder gab es solche Geschäfte tatsächlich, und engste Mitarbeiter haben deren Geldflüsse in eigene Taschen gelenkt? Braun und seine Verteidigung vertreten Letzteres. Der Chef hätte demnach mehr als die Hälfte des Konzerngeschäfts nicht durchschaut.
Immer die gleichen Fragen an die Führung
Landen Topmanager vor Gericht, läuft es seltsamerweise oft auf diese Alternative hinaus. Ähnlich war es vor Jahren bei den schwarzen Siemens-Kassen, und auch im VW-Dieselskandal werden sich diese Fragen stellen, falls es zum Prozess gegen den einstigen Konzernchef Martin Winterkorn kommt: War er selbst treibende Kraft? Kann ihm der Betrug entgangen sein? Warum haben die Wissenden nicht den Aufstand geprobt?
Bei Wirecard haben viele Kontrollmechanismen versagt, vorneweg die Wirtschaftsprüfung, dicht gefolgt von der Finanzaufsicht. Aber wie im VW-Skandal spielte bei der Technologiefirma offenbar auch die Atmosphäre eine verheerende Rolle: Der Vorstand hatte sich in eigene Sphären verabschiedet, der Aufsichtsrat spielte eine Statistenrolle, und die Belegschaft verfolgte das Schauspiel vom Zuschauerrang. In einer kaputten Unternehmenskultur hat es kriminelle Energie leichter – egal, wer sie auslebt.