Neue REACH-Verordnung: Tätowierern geht die Farbe aus

Viele Tattoofarben sind seit Beginn des Jahres verboten.

Viele Tattoofarben sind seit Beginn des Jahres verboten.

Berlin. Seit dem 4. Januar dürfen die meisten altbewährten Tattoofarben nicht mehr verkauft und verwendet werden. Grund ist eine neue REACH-Verordnung, die Tausende chemische Bestandteile der Farben neuerdings EU-weit verbietet.

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„Die Beschränkung betrifft zum Beispiel Chemikalien, die Krebs oder genetische Mutationen verursachen, fortpflanzungsgefährdende Chemikalien sowie Hautallergene und Reizstoffe“, heißt es vonseiten der zuständigen Europäischen Chemikalienagentur (ECHA). Beschlossen wurde das Verbot schon 2020, nun läuft eine Übergangsfrist aus.

Legale Farbsets teuer und ständig ausverkauft

Die rund 7000 Tattoostudios in Deutschland stehen seitdem vor Problemen. „Die großen Farbhersteller haben viel zu spät angefangen, ihre Farben REACH-konform umzustellen. Deshalb gibt es jetzt nur sehr wenig legale bunte Farbsets auf dem Markt“, sagt Jan Hartmann, Tätowierer aus Minden in Nordrhein-Westfalen und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Tattoo. Die wenigen zugelassenen Farbsets auf dem Markt seien außerdem derzeit „doppelt oder dreimal so teuer“ und ständig ausverkauft.

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Die sowieso schon von den Corona-Maßnahmen schwer gebeutelte Branche trifft der Farbengpass hart. Viele Termine für farbige Tattoos könnten derzeit nicht mehr vergeben werden.

Und es wird noch schwieriger: Denn in einem Jahr sollen auch die Pigmente Blau und Grün EU-weit verboten werden. Laut ECHA stehen sie im Verdacht, krebserregend zu sein. „Für die nun verbotenen chemischen Inhaltsstoffe können die Hersteller Lösungen finden. Aber für das Pigment Blau gibt es derzeit keine Alternative“, sagt Hartmann. Dann könnten dauerhaft bis zu 65 Prozent aller Farbtöne in den Tattoos wegfallen.

Tätowierer fürchten illegale Beschaffung

Die ECHA will mit den Verboten nach eigenen Angaben „Tätowierfarben und Permanent Make-up sicherer machen“. Doch die Tätowiererszene befürchtet eine Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung. „Wenn es nächstes Jahr kein Grün und Blau mehr legal zu kaufen gibt, werden viele unseriöse Studios mit illegalen Farben aus dem Ausland arbeiten. Das macht es für Verbraucher nicht sicherer“, sagt Hartmann.

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Die Tätowierer Erich Mähnert und Michael Dirks haben beim Europäischen Parlament eine Petition eingereicht, um das Verbot doch noch zu stoppen. Bisher haben sie mehr als 50.000 Unterschriften eingesammelt. Sie sagen, die beiden Pigmente seien nicht nur für das Tätowieren im herkömmlichen Sinn wichtig, sondern auch im Bereich des Permanent Make-ups und „insbesondere im Bereich der Brustwarzenrekonstruktionen nach einer Brustabnahme“.

BfR: Datenlage ungenügend

Mähnert und Dirks argumentieren, die Datenlage sei für ein Verbot nicht ausreichend. Ähnlich schätzt das auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ein. Dort heißt es in einer Stellungnahme, die vorhandenen Daten zu den gesundheitsgefährdenden Eigenschaften der beiden Pigmente Blau 15:3 und Grün 7 seien unvollständig. Eine gesundheitliche Risikoeinschätzung sei daher zurzeit nicht möglich.

Ganz frei von Bedenken ist das BfR aber nicht: Die derzeit verfügbaren Daten zeigten für die beiden Pigmente eine vergleichsweise geringe Toxizität. Das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) warnt ebenfalls: „Wie sich Tattoofarben und besonders die Farbpigmente im Körper auf die Gesundheit auswirken, ist noch wenig erforscht. Eine offizielle Liste mit sicheren Bestandteilen von Tattoofarben oder eine Zulassung gibt es nicht.“

Auf der Seite Safer-Tattoo.de versucht das BMEL trotzdem Tipps für eine sichere Tätowierung geben. Denn immerhin sind in Deutschland 17 Prozent der Bevölkerung tätowiert – Tendenz steigend.

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Edding geht mit gutem Beispiel voran

Dass es auch ohne die kritischen Inhaltsstoffe geht, beweist der Schreibwarenhersteller Edding, der im Oktober 2020 im Hamburger Chilehaus das erste Tattoostudio mit veganen Farben aus eigener Produktion „made in Germany“ eröffnet hat.

Alle Farben seien „absolut konform mit aktuellen und bereits heute bekannten, zukünftigen Regularien deutscher und EU-Gesetzgebung“, wirbt der Hersteller. Die Tattoofarben des Unternehmens sollen ohne jegliche Konservierungsstoffe auskommen. Außerdem kommen die Pigmente Blau 15 und Grün 7 nicht in der Farbpalette vor.

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