Neuer Ärger für Wirecard: Wirtschaftsprüfer zweifeln an Geschäftsbericht aus Singapur
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Der wegen seiner Bilanzierungspraktiken in der Kritik stehende Zahlungsdienstleister Wirecard muss sich gegen weitere negative Berichterstattung verteidigen.
© Quelle: Peter Kneffel/dpa
Diesmal ist es nicht die „Financial Times“ (FT), die den deutschen Dax-Konzern Wirecard in Erklärungsnöte bringt. Es ist das „Handelsblatt“, das enthüllt, dass der Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München für seine Tochter in Singapur für 2017 kein Testat des Wirtschaftsprüfers EY erhalten hat. „Wir können weder die Angemessenheit, Vollständigkeit und Richtigkeit des Jahresabschlusses feststellen, noch können wir den Umfang möglicher Anpassungen abschätzen, die in Bezug auf den Jahresabschluss der Gesellschaft erforderlich sein könnten“, zitiert die Wirtschaftszeitung aus einem EY-Prüfbericht und Dokumenten im Register der Finanzaufsicht von Singapur. Wirecard dementiert nicht wirklich.
EY habe die Tochter in Singapur nur eingeschränkt testiert, räumt der Konzern ein. Seit Anfang 2018 sät die „FT“ in einer Reihe von Artikeln Zweifel an Bilanzierungspraktiken von Wirecard. Das Unternehmen habe Umsätze durch Scheingeschäfte aufgebläht, hieß es darin unter anderem. Wirecard sieht die Vorwürfe als widerlegt an. Von ihnen aufgeschreckt hatten seinerzeit Behörden in Singapur mit Ermittlungen begonnen. Unterlagen der dortigen Tochter wurden beschlagnahmt.
Abschluss für den Gesamtkonzern wurde testiert
EY habe damals für sie kein Testat erteilen können, weil dafür wichtige Dokumente von Behörden beschlagnahmt worden waren, erklärt der Dax-Konzern jetzt. Nicht etwa Unregelmäßigkeiten seien für das verweigerte Testat verantwortlich. Bilanzrechtlich sei das aber nicht relevant. Den Abschluss für den Gesamtkonzern habe EY uneingeschränkt testiert. Wirecard habe damit alle Veröffentlichungspflichten eingehalten.
Ob das wirklich so ist, kann nicht einmal eine im Umgang mit börsennotierten Konzernen erfahrene Juristin wie Daniela Bergdolt mit Sicherheit sagen. Bestürzt ist die Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz über das Kommunikationsverhalten des Dax-Konzerns. Wenn alles so einfach zu erklären sei, wie Wirecard jetzt behaupte, warum habe das Unternehmen dann nicht selbst über das verweigerte Testat in Singapur informiert, sondern so lange darüber geschwiegen, bis es von einer Zeitung enthüllt wurde, fragt sie sich. Der Vorgang hätte den Anlegern nicht vorenthalten werden dürfen. Das sei eine Entscheidung des Managements gewesen, heißt es dazu bei Wirecard hinter vorgehaltener Hand.
Tochter in Singapur sorgt schon länger für Ärger
Die Tochter in Singapur ist nicht irgendeine Gesellschaft im Wirecard-Reich. Genau dort sollen die von der „FT“ behaupteten Fragwürdigkeiten ihren Ursprung haben. Das erklärt auch die Reaktion der Börse auf die neuen Vorwürfe. Um gut 5 Prozent gaben die Kurse der Aktie am Mittwoch zum Börsenstart nach, nachdem sie schon im vorbörslichen Handel gefallen waren. Bei den „FT“-Veröffentlichungen war das Papier tagesweise um rund ein Drittel eingebrochen.
Wirecard hat auch Fürsprecher. Nord-LB-Analyst Wolfgang Donie hält die Erklärung des Konzerns hinsichtlich fehlender Dokumente als Grund für das vorenthaltene Testat für glaubwürdig. „Ich gehe davon aus, dass das so ist“, sagte er und rügte im gleichen Atemzug die schlechte Kommunikation des Konzerns. Der hatte in Person seines Vorstandschefs Markus Braun sowohl bei der jüngsten Bilanzvorlage wie noch vor wenigen Tagen in einem TV-Interview alle angeblichen Bilanzierungsprobleme für widerlegt und erledigt erklärt. Bei Wirecard sei alles untersucht und von Prüfern als korrekt eingestuft worden. Das fehlende Testat in Singapur hat er nie erwähnt.
Sonderprüfung in Auftrag gegeben
In dieser brenzligen Lage verweist Wirecard darauf, dass der lokale Abschluss für die Tochter in Singapur für 2018 kurz vor der Fertigstellung sei. Selbst falls der diesmal uneingeschränkt testiert wird, ist das aber keine Entlastung für Vorgänge im Jahr 2017. Die kann nur eine Sonderprüfung bringen, die Wirecard nach erneuten Vorwürfen der „FT“ bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG jüngst in Auftrag gegeben hat.
Deren Ergebnisse sollen Anfang 2020 vorliegen. Wirecard müsse sie dann im Original, ungekürzt und ohne Schwärzungen, öffentlich machen, fordert Bergdolt. Nur so könne man immer größer werdende Zweifel wirklich zerstreuen. Das sieht auch Analyst Donie so. Voraussetzung ist natürlich, der EY-Konkurrent KPMG findet an der Wirecard-Bilanzierung nichts auszusetzen.