Putins asymmetrischer Energiekrieg: EU muss dagegenhalten
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Wladimir Putin, Präsident von Russland
© Quelle: Mikhail Tereshchenko/Pool Sputni
Frankfurt am Main. Wer wissen will, was Russlands Staatspräsident Wladimir Putin mit dem Gaslieferstopp für Polen und Bulgarien im Schilde führt, muss sich die Notierungen an den Energiebörsen anschauen. Der Preis für eine Megawattstunde zur Lieferung im nächsten Winter schoss am Mittwochmorgen zunächst um gut 25 Prozent in die Höhe. Gegen Mittag lag er schon fast wieder auf Vortagsniveau. Was aber mit rund 104 Euro immer noch extrem hoch war. Vor einem Jahr kostete russisches Erdgas nur ein Fünftel davon.
Putins Entscheidung sorgt für Spekulationen
Putin geht es vor allem darum, Verunsicherung zu erzeugen. Das heizt Spekulationen an, zumal insbesondere Deutschland und Italien stark von russischem Gas abhängig sind. Diese Konstellation setzt sich an den Energiebörsen unmittelbar in steigende Notierungen um. Die notorisch hysterischen Händler wetten mit ihren Terminkontrakten auf mögliche Versorgungsengpässe insbesondere im nächsten Winter.
Dabei spielt es keine Rolle, wie viel Gas aktuell tatsächlich fließt. Und wie viel von dem Roh- und Brennstoff Putin im nächsten Winter nach Westeuropa schicken lässt, weiß er vermutlich selbst noch nicht. Darauf kommt es aber auch gar nicht an. Das hohe Preisniveau für künftige Lieferungen zeigt schon jetzt seine Folgen. Denn Versorgungsunternehmen in ganz Europa sind derzeit damit beschäftigt, Verträge für künftige Lieferungen auszuhandeln. Und dafür werden in der Regel aktuelle Börsenpreise als Grundlage genommen.
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Sprengkraft liegt in Erhöhung der Preise
Die Verfünffachung binnen Jahresfrist bedeutet, dass sich für die Versorger die Einkaufspreise extrem erhöhen. Darin liegt die eigentliche Sprengkraft von Putins asymmetrischem Energiekrieg. Versorger, die Firmen und Privathaushalte beliefern, müssen einen großen Teil der höheren Kosten an ihre Kunden weiterleiten. Das wird im Herbst, wenn die Tarife angepasst werden, für Verwerfungen sorgen. Unternehmen drohen um ihre Gewinne gebracht zu werden. Und noch viel wichtiger: Millionen privater Haushalte könnten kaum noch in der Lage sein, ihre Gasrechnung zu zahlen.
Russland stoppt Gaslieferung nach Polen und Bulgarien
Der tatsächliche Gasdurchfluss durch die Jamal-Pipeline von Belarus nach Polen lag am frühen Mittwochmorgen bei null Kilowattstunden.
© Quelle: Reuters
Politikern aus allen EU-Ländern macht das schon jetzt schwer zu schaffen – das weiß Putin. Was dagegen hilft: Selbstbewusstsein der politisch Handelnden und weitere staatliche Hilfsprogramme, die vor allem Haushalten mit niedrigen Einkommen zugutekommen. Um Energiearmut zu bekämpfen. Immer mehr spricht dafür, dass es hier um Sozialleistungen geht, die über einen längeren Zeitraum gezahlt werden müssen – womöglich so lange, bis die Energiepolitik europaweit neu justiert ist und ohne russisches Gas auskommt. Trotz Staatsverschuldung können die EU-Staaten sich das leisten – die Pandemie hat gezeigt, welche enormen finanziellen Hilfen mobilisiert werden können, wenn es darauf ankommt: Die Regierungen haben keine andere Wahl, um gegenzuhalten im asymmetrischen Energiekrieg.