Soli, Kindergeld, Steuerkurve: Deutsche haben 2021 mehr Geld zum Leben
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Das Kindergeld steigt 2021 um 15 Euro.
© Quelle: dpa
Die deutschen Steuerzahler können sich in diesem Jahr auf große finanzielle Entlastungen freuen. Das liegt zum einen daran, dass für viele der Solidaritätszuschlag wegfällt. Außerdem passt die Bundesregierung wie schon in den vergangenen Jahren den Einkommenssteuersatz an – und das wirkt sich 2021 besonders günstig aus, wie eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt.
Dazu kommt, dass Familien und Alleinerziehende von einem deutlich höheren Kindergeld profitieren. „Gerade in der Corona-Krise, in der viele Arbeitnehmer Einkommenseinbußen hatten, kommt die Erleichterung wie gerufen“, sagt IW-Steuerexperte Martin Beznoska. Ein Überblick:
Solidaritätszuschlag
Für rund 90 Prozent der Steuerzahler fällt 2021 der Solidaritätszuschlag komplett weg, weitere 6,5 Prozent zahlen weniger. Konkret besagt die Neuregelung, dass Einzelveranlagte bis zu einer Einkommenssteuer von 16.956 Euro im Jahr keinen Soli mehr abführen müssen – für gemeinsam veranlagte Paare liegt der Satz bei 33.912 Euro. Oberhalb dieser Grenze steigt der Solisatz schrittweise an. Den vollen Satz von 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag müssen Menschen mit sehr hohen Einkommen zahlen. Das ist der Fall, wenn das zu versteuernde Einkommen eines Alleinstehenden mehr als 96.409 Euro beträgt, Verheiratete müssen zusammen mindestens 192.818 Euro verdienen.
Anpassung des Steuertarifs
Die Bundesregierung passt jedes Jahr die Steuertabelle an die Inflationsrate an, um die sogenannte kalte Progression auszugleichen. Das Problem der kalten Progression entsteht so: Wenn ein Arbeitnehmer eine Lohnerhöhung bekommt, sagen wir 1,5 Prozent, diese allerdings lediglich die Preissteigerung ausgleicht, weil die Inflationsrate ebenfalls bei 1,5 Prozent liegt, steigt die Kaufkraft des Arbeitnehmers nicht. Würde der Staat die Steuertabelle nicht anpassen, müsste der Arbeitnehmer sogar mehr Steuern zahlen. Er hätte dann also real weniger Geld zur Verfügung als im Vorjahr.
Damit das nicht passiert, gleicht die Bundesregierung jedes Jahr den Steuertarif an. Im Jahr 2021 wird der Tarifverlauf um 1,52 Prozent verschoben. Allerdings ist die Bundesregierung zum Zeitpunkt des Vorschlags von einer Inflationsrate von 1,52 Prozent ausgegangen – durch die Corona-Krise und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Abschwung fällt die Inflation nun aber voraussichtlich wesentlich geringer aus. Erwartet werden nur noch 0,5 Prozent. Das heißt, die kalte Progression wird überkompensiert.
Außerdem steigt der Grundfreibetrag von 9408 Euro auf 9744 Euro.
Kindergeld und Kinderfreibetrag
Familien können sich freuen, denn das Kindergeld wird 2021 um 15 Euro auf 219 Euro pro Monat erhöht. Dieser Satz gilt für die ersten beiden Kinder, für das dritte Kind bekommen Eltern 225 Euro, für das vierte und weitere Kinder 250 Euro im Monat. Die Erhöhung ist beachtlich, bedenkt man, dass der Satz die vorangegangenen drei Jahre (2017 bis 2020) insgesamt nur um 12 Euro erhöht wurde. Entsprechend steigt auch der Kinderfreibetrag um 576 Euro pro Jahr auf 8388 Euro. Eltern bekommen entweder Kindergeld oder sie können sich den Kinderfreibetrag auf ihr Einkommen anrechnen lassen.
Entlastungbetrag für Alleinerziehende
Alleinerziehende erhalten normalerweise einen zusätzlichen Steuerfreibetrag von 1908 Euro pro Jahr. Für die Jahre 2020 und 2021 wird dieser Entlastungsbetrag auf 4008 Euro erhöht. Damit soll der besonderen Belastung von Alleinerziehenden in der Corona-Pandemie Rechnung getragen werden. Für jedes weitere Kind erhöht sich die Summe um 240 Euro pro Jahr.
Der grundsätzliche Entlastungsbetrag von 1908 Euro wird über die Lohnsteuerklasse II, der Steuerklasse für Alleinerziehende, automatisch eingerechnet. „Damit der erhöhte Entlastungsbetrag für die Jahre 2020 und 2021 berücksichtigt werden kann, muss gegebenenfalls ein Antrag bei Ihrem örtlichen Finanzamt gestellt werden“, heißt es beim Bundesfamilienministerium.
Die eben genannten Entlastungen wirken sich – je nach Lebenssituation und Gehalt – unterschiedlich auf die Steuerzahler aus. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat in einer Studie errechnet, wie hoch die Entlastung für Singles, Alleinerziehende und Familien ist:
Singles
Singles können 2021 mit einer Entlastung von bis zu 1000 Euro rechnen. Dieser Maximalbetrag wird bei einem Bruttoeinkommen von 6500 Euro erreicht. Die IW-Forscher rechnen mit knapp 900 Euro weniger Solidaritätszuschlag und 370 Euro weniger Einkommensteuer, dafür steigen die Sozialversicherungsbeiträge um rund 230 Euro. Letzteres führen die Experten auf veränderte Beitragsbemessungsgrenzen und einen steigenden Zusatzbeitrag bei der gesetzlichen Krankenversicherung zurück.
Im Vergleich zu den Vorjahren kommt es damit im Jahr 2021 zu einer besonders starken Entlastung. Ein Single mit einem Bruttomonatseinkommen von 5000 Euro wird von 2020 auf 2021 in etwa genauso stark entlastet wie in den drei Jahren von 2017 bis 2020 zusammen.
Alleinerziehende
Alleinerziehende werden mit bis zu 1200 Euro pro Jahr entlastet. Dieser Maximalbetrag wird allerdings erst bei einem Bruttomonatseinkommen von 7000 Euro erreicht. Wer alleinerziehend mit einem Kind brutto 3500 Euro im Monat verdient, hat 450 Euro im Jahr mehr im Portemonnaie. Dabei stehen laut IW 160 Euro weniger Solidaritätszuschlag und 150 Euro weniger Einkommenssteuer höhere Sozialbeiträge von 40 Euro gegenüber. Die übrige Nettoentlastung resultiert demnach aus 180 Euro mehr Kindergeld.
Familien
Eine Familie mit zwei Kindern kann 2021 mit einer Entlastung von maximal 2500 Euro rechnen. Dabei wird unterstellt, dass ein Partner zwei Drittel und der andere Partner ein Drittel zum Haushaltseinkommen beiträgt. Der maximale Entlastungsbetrag wird bei einem gemeinsamen Einkommen von 14.000 Euro pro Monat erreicht.
Bei einer Familie mit zwei Kindern und einem Haushaltseinkommen von 7000 Euro im Monat beläuft sich die Entlastung auf knapp 1050 Euro. Das IW hat errechnet, dass 440 Euro weniger Solidaritätszuschlag und 330 Euro weniger Einkommenssteuer anfallen, dafür müssen 80 Euro mehr Sozialbeiträge gezahlt werden. Hinzu kommt das höhere Kindergeld von 360 Euro im Jahr für zwei Kinder.
Zusammenfassend stellen die IW-Forscher fest, dass die Bundesregierung mit den Steuerrechtsänderungen die Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag zwar erfüllt. „Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die große Koalition eine Einkommenssteuerreform abermals verpasst hat“, kritisiert Studien-Co-Autor Tobias Hentze.
An den Grundproblemen des Steuertarifs habe sich nichts geändert: Der sogenannte Mittelstandsbauch belaste niedrige und mittlere Einkommen überproportional und mindere Anreize, mehr zu arbeiten. Außerdem werde der Spitzensteuersatz von 42 Prozent seinem Namen nicht gerecht, da ihn breite Bevölkerungsschichten zahlten. „Nach der Bundestagswahl muss die neue Bundesregierung die Einkommenssteuerreform dringend anpacken“, fordert Hentze.