Warum Twitter unbedingt übernommen werden will
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Das Twitter-Symbol wird auf einem Mobiltelefon angezeigt. Twitter stellt die Weichen für eine juristische Auseinandersetzung mit Techmilliardär Elon Musk um dessen Versuch, die Übernahme des Onlinedienstes abzublasen.
© Quelle: Matt Rourke/AP/dpa
Als Elon Musk im April vor der Twitter-Tür stand, wollte ihn niemand reinlassen. Der Vorstand wies das Kaufangebot des Milliardärs zunächst zurück und beschloss Abwehrmaßnahmen, um die Aktionäre vor „zwangsweisen und unfairen Übernahmeversuchen zu schützen“. Drei Monate später haben sich die Verhältnisse gedreht: Musk will den Deal zu den Akten legen, aber Twitter besteht auf Umsetzung. Denn ein Scheitern könnte auch für die Plattform teuer werden.
Post von den Twitter-Anwälten
Twitters Anwälte wollen den Tesla-Chef gerichtlich zum Kauf zwingen und haben in einem Brief an Musks Rechtsvertreter bereits festgehalten, dass die Aufkündigung des Deals „ungültig und unrechtmäßig“ sei. Twitter habe, anders als von Musk behauptet, nicht gegen die Übernahmevereinbarung verstoßen, die nach der anfänglichen Gegenwehr am 25. April geschlossen worden war. Man sei deshalb entschlossen, das Geschäft abzuschließen – zu dem Preis und den Bedingungen, die vereinbart wurden. Auch Musk müsse seine Verpflichtungen einhalten.
Es geht für beide Seiten um viel Geld. So soll eine Vertragsstrafe von einer Milliarde Dollar für einen Rückzug vom Kauf vereinbart sein. Es geht aber um mehr: Musk hat mit seiner Aktion in den vergangenen Monaten Riesensummen bewegt – nicht nur auf dem eigenen Konto. Und mancher, der mitmachte, hat viel verloren.
Als Musk im Februar und März in aller Stille Twitter-Aktien kaufen ließ, kosteten sie zunächst rund 33 Dollar pro Stück und stiegen – nicht zuletzt wegen der Käufe – im Lauf der Zeit auf 40 Dollar. Am Ende war Musk mit mehr als 9 Prozent größter Twitter-Aktionär und bot 54,20 Dollar je Aktie, um das komplette Unternehmen zu kaufen. Der Kurs sprang sofort auf dieses Niveau.
Dort steht er allerdings schon länger nicht mehr, denn im Mai begann Musk seinen Rückzug. Er setzte sein Angebot aus, weil Twitter angeblich nicht die gewünschten internen Unternehmensinformationen lieferte. Am vergangenen Wochenende machte es der Milliardär amtlich: Das Kaufangebot an die Twitter-Aktionäre hat keinen Bestand mehr, der Deal ist Geschichte.
Der Aktienkurs ist wieder im Keller
Der Kurs ist wieder auf rund 33 Dollar gerutscht, das Niveau vor dem Kaufangebot. Anleger, die im Vertrauen auf die Übernahmevereinbarung Papiere zu Kursen um 50 Dollar gekauft haben, sitzen zurzeit auf Buchverlusten von rund 30 Prozent. Mehr als 10 Milliarden Dollar Börsenwert, die Twitter dank des Kaufangebots gewonnen hatte, sind wieder verschwunden.
So ist es kein Wunder, dass Schuldige gesucht werden. Kann man irgendeinem Beteiligten in dem Übernahmepoker Rechtsverstöße nachweisen, werden schnell Schadensersatzklagen von Investoren folgen. Gegen Musk ermittelt bereits die US-Börsenaufsicht SEC, weil er möglicherweise seine Aktienkäufe im Frühjahr zu spät veröffentlicht hat.
Elon Musk bricht Twitter-Übernahme ab
Elon Musk hat Twitter darüber informiert, dass er nicht länger an einer Übernahme interessiert ist.
© Quelle: Reuters
Vor allem aber kann man die Begründung des Rückzugs unter die Lupe nehmen: Musk behauptet, dass der Anteil der Fake-Accounts bei Twitter, also der automatisch erzeugten Nachrichten, sehr viel höher sei als vom Unternehmen angegeben. Die Zahl der leibhaftigen Nutzer wäre dann geringer und damit auch der Unternehmenswert. Twitter habe ihm falsche und irreführende Informationen gegeben. Anwälte werden lange streiten können, ob das nur vorgeschoben ist und was dazu in der Übernahmevereinbarung steht.
Der Twitter-Chef hat keine Wahl
Allerdings könnte auch die Twitter-Führung ins Visier von Anlegern geraten, denn in deren Interesse muss sie handeln. Das war der wesentliche Grund, weshalb Unternehmenschef Parag Agrawal seinen Widerstand gegen die Übernahme aufgab: Er konnte seinen Aktionären die Chance auf den Verkauf nicht verwehren. Und es ist der Grund, warum er jetzt auf der Umsetzung besteht: Die Möglichkeit, für die Aktionäre doch noch 54 Dollar je Aktie oder zumindest einen Preis über dem aktuellen Kurs herauszuholen, darf er nicht aus der Hand geben. Noch heikler wird es, wenn Musks Vorwurf der Falschinformation im Raum stehen bleibt: Twitter käme schnell selbst in die Haftung für den geplatzten Deal und die Kursverluste.
Für den Kurznachrichtendienst werden die nächsten Wochen auch so ungemütlich genug. Das Unternehmen steckte in Problemen, als Musk zuschlug. Der Aktienkurs war monatelang gefallen, der im November 2021 angetretene Agrawal sollte Twitter neu ausrichten. Vor dieser Aufgabe steht er nun wieder – zusätzlich verstrickt in ein Scharmützel mit dem bekanntesten Unternehmer der Welt und belastet von dessen Behauptung, dass in Wahrheit gar nicht so viele Menschen twittern.
Offen ist bisher, was Musk mit den 73 Millionen Aktien vorhat, die er im Frühjahr kaufte, um größter Twitter-Aktionär zu werden. Sie dürften aktuell bereits etwas weniger wert sein als damals – weitere Verluste nicht ausgeschlossen. Von Verkäufen war bisher nichts zu hören. Aber seinen Einstieg hatte er ja auch verspätet gemeldet.