Warum bei der Fußball-EM chinesische Schriftzeichen auftauchen
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Training der Deutschen Nationalmannschaft in der Münchner Arena, Bandenwerbung in chinesischer Schrift.
© Quelle: imago images/MIS
Peking. Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet bei der Europameisterschaft die wirtschaftlich größten Player aus Fernost stammen. Wer als Fernsehzuschauer einen Blick über das Sportgeschehen hinaus wirft, kann die neuartigen Markenlogos auf den Werbebanden erkennen. Einige sind gar in chinesischen Schriftzeichen verfasst.
Natürlich spiegelt sich die neue, postpandemische Weltordnung auch im Sportgeschäft wider. Dementsprechend sollte es nicht verwundern, dass vier der insgesamt zwölf Hauptsponsoren der UEFA mittlerweile aus der Volksrepublik stammen: die Video-App Tiktok, der mobile Zahldienstleister Alipay, Smartphone-Hersteller Vivo und Elektronikkonzern Hisense.
„Covid und Geopolitik werden unsere Marken nicht davon abhalten, global zu gehen“, schreibt die nationalistische Parteizeitung „Global Times“ sichtlich stolz. Das prominente EM-Sponsoring der heimischen Konzerne würde beweisen, welch starke Ambitionen chinesische Brands weltweit hegen.
Dabei hat Werbung aus Fernost im europäischen Fußball durchaus eine jahrzehntealte Tradition. Bereits in den Achtzigerjahren traten erstmals japanische Elektronikmarken wie Sony und Panasonic auf den Werbebanden in Erscheinung, Ende der Neunzigerjahren folgten südkoreanische Konglomerate wie Samsung und LG. Nun debütiert die Konkurrenz aus China.
Hisense: Bekanntheitsgrad in Europa durch Sponsoring verdoppelt
Ihre Intention ist klar: Vivo etwa verfügt mit seinen Smartphones bereits über einen globalen Marktanteil von 10 Prozent, doch ist bislang nur in zwei europäischen Ländern erhältlich. Bis Jahresende möchte man den Markteintritt auf mindestens ein Dutzend EU-Staaten erhöhen. Der offizielle EM-Deal soll dabei die nötige Starthilfe leisten.
Alipay soll laut Brancheninsidern gar 200 Millionen Euro für seinen achtjährigen Partnerschaftsvertrag mit der UEFA hingelegt haben. Es sind massive Investitionen, die sich jedoch scheinbar auszahlen: Elektronikkonzern Hisense mit Sitz in Qingdao behauptet, seit seinem ersten Sponsoring bei der EM 2016 seinen Bekanntheitsgrad in den führenden Märkten Europas nahezu verdoppelt zu haben.
Doch die chinesische Fußballoffensive in Europa hat auch damit zu tun, dass die heimischen Fans des runden Leders ihre eigenen Teams verschmähen. Statt „Beijing Gouan“ oder „Shanghai Shenhua“ feuern die meisten Chinesen lieber den „FC Barcelona“ oder „Bayern München“ an. Und viele von ihnen bleiben auch dieser Tage bis nach Mitternacht wach, um die Europameisterschaft im Staatssender CCTV zu verfolgen.
Das von Generalsekretär Xi Jinping 2015 ausgerufene Großprojekt „Fußballmacht China“, welches den Weg zur Weltspitze bis 2050 ebnen sollte, liegt derzeit brach: Die heimische Nachwuchsförderung hat noch keinen Durchbruch erzielen können, und die chinesische Fußballliga leidet zunehmend unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
Doch die Hoffnung stirbt zuletzt: Mitte Juni hat sich die chinesische Nationalmannschaft beim 3:1 Sieg gegen Syrien zumindest einen Qualifikationsplatz für die kommende Weltmeisterschaft in Katar gesichert. Sollten sich die Fußballer auch dort behaupten, wäre es ihre erste WM-Teilnahme seit genau 20 Jahren.