Warum ein voller Gasspeicher allein Deutschland nicht rettet
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/QZ5R2IX5CNEY5BFBHB4JDRYRZA.jpeg)
Blick auf die Kühlanlagen und die Gasverdichter des Untergrund-Gasspeichers der VNG AG in Sachsen-Anhalt.
© Quelle: Waltraud Grubitzsch/dpa
Die Bundesregierung arbeitet unter Hochdruck daran, die Gasspeicher für den Winter aufzufüllen. Die Sorge ist groß, dass Russland auch nach den zehntägigen Wartungsarbeiten der Pipeline Nord Stream 1 kein Gas mehr nach Deutschland liefert. Zuvor hatte Russland bereits einen Lieferstopp gegen zahlreiche andere westliche Länder verhängt, als Reaktion auf deren Sanktionen. Die deutschen Gasspeicher waren am Montag nach Angaben der Bundesnetzagentur im Durchschnitt zu 64,6 Prozent gefüllt. Ziel sind 90 Prozent bis Anfang November.
Deutschland ist jedes Jahr auf kontinuierliche Gaslieferung angewiesen
Experten warnen jedoch, dass ein voller Gasspeicher allein nicht ausreicht, um über den Winter zu kommen. Der Grund: „Das Volumen unserer Gasspeicher reicht nicht, um den Bedarf für den ganzen Winter abzudecken“, erklärt Niko Bosnjak vom Erdgas-Fernleitungsnetzbetreiber Open Grid Europe. „Deutschland ist jedes Jahr für den Winter auf kontinuierliche Gaszuflüsse aus dem Ausland angewiesen, auch bei einem vollen Gasspeicher“, sagt er im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Kapazität der Gasspeicher in Deutschland ist zu klein
Industrie und Haushalte benötigen nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) pro Jahr rund 1000 Terawattstunden Gas, von denen rund 900 Terawattstunden importiert werden. „Industrie und Haushalte verbrauchen über den Daumen gepeilt rund zwei Drittel des jährlichen Gasbedarfs in den Wintermonaten“, so Bosnjak. Demnach muss Deutschland etwa 650 Terawattstunden für den Winter einkalkulieren. Die Speicher haben laut dem Energieexperten aber nur eine Speicherkapazität von 240 Terawattstunden. Zu wenig also, um allein damit über den Winter zu kommen.
Warum reichen Deutschlands Gasspeicher nicht aus?
Dass die Speicher hierzulande eine zu geringe Kapazität aufweisen, hat einen einfachen Grund: Sie dienen laut Bosnjak eigentlich gar nicht primär dazu, große Mengen für den Winter vorzuhalten. „Mit den Speichern wird Gas so verteilt, dass es wie in einem Zwischenlager auf Abruf zu Kunden geliefert werden kann. Das ist besonders in Spitzenzeiten wichtig.“
Was, wenn Russland gar kein Gas mehr liefert?
Kleinste Mengen Gas aus Russland erhält Deutschland zwar noch über eine Pipeline, die durch die Ukraine verläuft. Allerdings handelt es sich dabei schon lange um einen Bruchteil von dem, was Deutschland sonst über Nord Stream 1 bezieht.
In der Vergangenheit hatte Russland bei der Wartung einer Pipeline als Ausgleich mehr Gas über andere Leitungen nach Deutschland geschickt. Doch diesmal offenbar nicht, im Gegenteil: Am Montag exportierte Russland etwa eine Million Kubikmeter weniger Gas über die ukrainischen Leitungen in Richtung Westen.
Corona und Nord Stream 1: Was auf die Wirtschaft, Bevölkerung und Finanzwelt zukommen könnte
Die Ungewissheit über künftige Gaslieferungen aus Russland und die anhaltende Corona-Krise in China zehren an den Nerven der Wirtschaft.
© Quelle: Reuters
Sollte Russland gar kein Gas mehr liefern, braucht Deutschland also andere Lieferanten, um durch den Winter zu kommen. Im vergangenen Jahr machte russisches Gas einen Anteil von 55 Prozent am Gesamtverbrauch in Deutschland aus. Seit Oktober ist der Anteil jedoch auf 40 Prozent gesunken.
Wer beliefert Deutschland stattdessen mit Gas?
Dafür liefern bereits Norwegen, Belgien und die Niederlande deutlich mehr Gas nach Deutschland. Diese Länder könnten ihre Liefermenge womöglich noch ausbauen. Laut BDEW könnten die Niederlande die Produktion im Groningen-Feld ausweiten und Europa mehr LNG-Importe aus Algerien beziehen. Derzeit kauft Europa hauptsächlich Flüssiggas aus den USA und Katar. Der BDEW geht davon aus, dass diese Liefermengen noch erhöht werden könnten – „allerdings bei voraussichtlich hohen Preisen“.
Laden Sie sich jetzt hier kostenfrei unsere neue RND-App für Android und iOS herunter.