Wohngeldreform: Kommunen und Landkreise warnen vor Überlastung
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Plattenbauten stehen in einem Wohngebiet nebeneinander.
© Quelle: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dp
Berlin. Was es heißt, wenn bald deutlich mehr Menschen Wohngeld beziehen, kann Bauministerin Klara Geywitz an diesem Mittwoch selbst erahnen. Beim Besuch einer Wohngeldstelle im Berliner Bezirk Pankow lässt sich die SPD-Politikerin erklären, wie sich die Behörde für den erwarteten Ansturm rüstet. Man müsse damit rechnen, dass die Bearbeitungszeit im kommenden Jahr ansteige, sagt der zuständige Fachbereichsleiter. Zwar ist man in Pankow mit sechs bis sieben Wochen noch vergleichsweise zügig. Doch in anderen Kommunen und Landkreisen sieht es anders aus.
Weil sich mit der kürzlich beschlossenen Wohngeldreform der Kreis der Berechtigten von rund 600.000 auf rund zwei Millionen ausweitet, haben Kommunen und Landkreise jetzt Alarm geschlagen. Reinhard Sager, Präsident des deutschen Landkreistages, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Für die Wohngeldstellen ist die Umsetzung ab dem 1. Januar 2023 wegen des erheblichen Zusatzaufwands und der beabsichtigten Verdreifachung des Empfängerkreises in den wenigen Wochen bis zum Jahreswechsel kaum leistbar.“
Landkreistagspräsident warnt vor höherem Aufwand
Eine Verdopplung bis Verdreifachung des Personals in den Wohngeldstellen lasse sich in so kurzer Zeit nicht ruckelfrei realisieren. „Die Politik hätte für die Reform ganz klar einen längeren Vorlauf einplanen müssen“, so Sager. „Es wird so sein, dass es in der Anfangszeit deutlich stockt und die Menschen nicht so schnell ihr Wohngeld bekommen werden. Daher haben wir deutlichere Vereinfachungen im Wohngeldrecht gefordert, die zu einer spürbaren Entlastung der Fallbearbeitung in den Wohngeldstellen beigetragen hätten.“ So wie jetzt vom Bundestag beschlossen, drohe das Wohngeld-Plus-Gesetz zu noch höheren Aufwänden pro Fall zu führen.
Sager warnte, dass es zwangsläufig zu Enttäuschungen kommen werde, da viele Menschen erwarteten, das Wohngeld umgehend ab Januar ausgezahlt zu bekommen. Deshalb sei es auch seitens der Politik notwendig, auf die Schwierigkeiten hinzuweisen.
Geywitz: Kein „Kollaps“ des Systems zu befürchten
Der Städtetag hatte laut „Bild“ sogar vor einem „Kollaps“ des Systems gewarnt. Bauministerin Geywitz räumte am Mittwoch zwar ein, dass die Bearbeitungszeiten „in der ein oder anderen Kommune“ ansteigen würden. Einen Kollaps erwartet die Sozialdemokratin allerdings nicht. Der würde bedeuten, dass ein System zusammenbreche, so Geywitz. „Das ist nicht zu befürchten.“
Zuvor hatte das Bauministerium bereits darauf verwiesen, dass die konkrete Umsetzung der Reform Aufgabe der Länder und Kommunen sei. Gewyitz betonte in Pankow, dass die Entlastung wegen der außergewöhnlichen Situation nun schnell kommen müsse. Der Bundestag hatte dem Gesetz erst vor wenigen Tagen zugestimmt.
Die Prüfverfahren sind viel zu kompliziert und langwierig.
Verena Bentele,
VdK-Präsidentin
Der Start zum 1. Januar ist sportlich. „Schon jetzt kommen die Ämter mit der Bearbeitung der Anträge kaum hinterher“, warnt VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Die Prüfverfahren sind viel zu kompliziert und langwierig“, sagte sie dem RND. „Die Wartezeiten werden sich weiter verlängern, wenn im Januar noch mehr Anspruchsberechtigte in den Schlangen vor den Ämtern stehen.“ Wohngeldberechtigte hätten meist keine Rücklagen, um ein paar Wochen oder Monate zu überbrücken. „Deshalb müssen die Wohngeldstellen von der Möglichkeit Gebrauch machen, das Wohngeld vorläufig auszuzahlen und auf eventuelle Rückzahlungsforderungen zu verzichten“, so Bentele. Die Voraussetzungen habe das Ministerium geschaffen.
Pragmatismus bei Bürokratie und Digitalisierung gefordert
Auch Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, fordert Pragmatismus. „Was es braucht, sind bedarfsorientierte Abschlagszahlungen für alle mit geringem Einkommen, solange, bis die Anträge bearbeitet und die Wohngeldzahlungen umgesetzt werden können“, sagt er. „Es ist klar, dass die Umsetzung der geplanten Reform eine Herausforderung ist und die Verwaltungen auch angesichts von Personalknappheit ihre Zeit bis zur Umsetzung brauchen. Damit die Menschen aber umgehend die Hilfe bekommen, die sie benötigen, muss der Staat hier unbürokratisch in Vorleistung gehen.“
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Dass es bei der Bürokratie noch Baustellen gibt, erlebt auch Geywitz am Mittwoch. Zwar ist man in Pankow schon deutlich weiter als in anderen Wohngeldstellen, allerdings holpert es auch dort in Sachen Digitalisierung – beispielsweise fehlt eine elektronische Akte, so der Fachbereichsleiter. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft hatte kürzlich eine „Digitalisierungsoffensive“ in den Wohngeldstellen gefordert, um die Reform umzusetzen.
Warum, zeigt ein Blick ins Nebenzimmer der Pankower Behörde: Sauber aufgereiht hängen die Einträge in den Schränken – ein ganzer Raum nur für Akten.