Zermürbt vom “System Draghi”: Deutsche Direktorin gibt Posten in EZB-Führung auf

Sabine Lautenschläger hat als EZB-Direktorin ihren Rückzug angekündigt.

Sabine Lautenschläger hat als EZB-Direktorin ihren Rückzug angekündigt.

Frankfurt/Main. Im Streit um den Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) hat erneut ein deutsches Mitglied des Führungsgremiums der Notenbank seinen Rücktritt angekündigt: Die ehemalige Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, Sabine Lautenschläger, gibt ihren Posten im sechsköpfigen EZB-Direktorium zum 31. Oktober dieses Jahres auf - und damit mehr als zwei Jahre vor Ende ihrer regulären achtjährigen Amtszeit, die noch bis 26. Januar 2022 gedauert hätte.

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Die Juristin Lautenschläger hatte sich wiederholt kritisch zu den milliardenschweren Anleihenkäufen der Notenbank geäußert. EZB-Präsident Mario Draghi hatte die zeitlich unbegrenzte Wiederaufnahme der umstrittenen Geschäfte bei der jüngsten EZB-Sitzung am 12. September gegen heftige Widerstände durchgesetzt. Die EZB machte in einer knappen Mitteilung am Mittwochabend keine Angaben zu den Gründen für Lautenschlägers Schritt. Draghi dankte der 55-Jährigen "für ihre maßgebliche Rolle beim Aufbau und der Steuerung der europaweiten Bankenaufsicht".

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Das Direktorium der EZB führt die Geschäfte der Notenbank. Außer dem Präsidenten gehören dem Gremium der Vizepräsident - aktuell der Spanier Luis de Guindos - sowie vier weitere Mitglieder an. Derzeit sind dies außer Lautenschläger der Franzose Benoît Cœuré, der Luxemburger Yves Mersch und der Ire Philip Lane als Chefvolkswirt der Notenbank. Es wird damit gerechnet, dass Deutschland Anspruch auf die Nachbesetzung von Lautenschlägers Posten beanspruchen wird.

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Lautenschläger ist Draghi-Kritikerin

Lautenschläger zählt zu den Kritikern einer extrem lockeren Geldpolitik wie sie die EZB unter Draghi seit Jahren praktiziert. Vor der jüngsten geldpolitischen Sitzung hatte sich Lautenschläger gegen eine Wiederaufnahme der Käufe von Staatsanleihen ausgesprochen. Doch die Währungshüter zogen noch einmal alle Register - mit dem Ziel, die Wirtschaft anzukurbeln und die Inflation auf ein vernünftiges Maß zu treiben. Die Zentralbank verlangt von Banken nicht nur mehr Negativzinsen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Sie steckt ab November zudem monatlich 20 Milliarden Euro in den Erwerb von Anleihen - und das zeitlich unbefristet.

Aus Notenbankkreisen verlautete am Donnerstag, Lautenschläger sei zermürbt gewesen vom "System Draghi", in dem der Präsident Entscheidungen durchsetze und nicht den Konsens suche. Sie habe auch wenig Hoffnung gehabt, dass sich der Kurs unter Draghis designierter Nachfolgerin Christine Lagarde absehbar ändern werde.

Allerdings entscheidet weder Draghi allein noch das Direktorium der EZB über die Geldpolitik. Viel mehr obliegt die Richtung dem EZB-Rat, der aus 25 Geldpolitikern besteht. Dort hatte Draghi zuletzt eine Mehrheit - auch wenn sie dem Vernehmen nach recht knapp war.

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An Anleihenkäufen als Mittel der Geldpolitik hatte sich immer wieder Kritik entzündet. Gegner fürchten, Staaten könnten durch das billige Notenbankgeld in ihrem Reformwillen gebremst werden. Am Ende finanziere die Zentralbank klamme Euroländer, so die Kritik. 2011 legten der damalige Bundesbank-Präsident Axel Weber und der damalige EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark im Streit ihre Ämter nieder.

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Draghi hatte die erneute Lockerung der Geldpolitik mit umfangreichen Risiken für die Konjunktur gerechtfertigt. Die Geldschwemme soll letztlich bewirken, dass Unternehmen und Verbraucher leichter an Kredite kommen. Das soll Wirtschaft und Inflation ankurbeln, drückt aber die Zinsen für Sparer und bei Lebensversicherungen.

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RND/dpa

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