Zerschlagen oder zusammenhalten – wie geht es mit Thyssenkrupp weiter?

Thyssenkrupp ist im Umbruch – und ringt mit Investoren.

Thyssenkrupp ist im Umbruch – und ringt mit Investoren.

Von Börsianern gab es Applaus. Gewerkschafter warnen, die Politik appelliert und die Nachfahren des Firmengründers sprechen von einer Tragödie – aber immerhin die Börse reagierte positiv auf die jüngsten Nachrichten vom Industriekonzern Thyssenkrupp. Die Aktie des Industriekonzerns Thyssenkrupp legte am Donnertag an der Frankfurter Börse zeitweise um fast 2,5 Prozent zu. Zugleich mahnte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU): „Es muss alles getan werden, dass es nicht zu einer Zerschlagung kommt und dass das Unternehmen wettbewerbsfähig bleibt.“ Denn das Konglomerat aus dem Ruhrgebiet steckt in einer schweren Krise.

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Vorstandschef Guido Kerkhoff soll gefeuert werden. Zugleich macht sich der schwedische Großaktionär Cevian dafür stark, die Aufzugssparte komplett zu verkaufen. Mindestens die Hälfte des Erlöses soll dann als Sonderdividende an die Anteilseigner ausgezahlt werden. Der Wert der Abteilung Elevator wird auf etwa 18 Milliarden Euro taxiert. Der schwedische Finanzinvestor, der 18 Prozent der Aktien hält, würde dadurch mutmaßlich einen Milliardenbetrag einnehmen. Auch die Krupp-Stiftung – die mit einem Anteil von 21 Prozent der größte Anteilseigner ist – befürwortet offenbar den Deal.

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Die Division des Traditionskonzerns, die Fahrtreppen und Aufzüge baut, ist weltweit überaus erfolgreich aktiv. Sie profitiert von großen Infrastrukturprojekten wie Flughäfen und Einkaufszentren, die in China und vielen Schwellenländern in großer Zahl gebaut werden. Jedes Jahr wirft die Sparte verlässlich einen Gewinn aus der betrieblichen Tätigkeit ab, der in der Größenordnung von einer Milliarde Euro liegt.

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Investor will Gewinne einfahren

Cevian ist 2013 bei Thyssenkrupp eingestiegen. Die Schweden haben sich auf Unternehmen spezialisiert, die an den Börsen unterbewertet sind – deren Teile also wertvoller als das Ganze sind. Der Investor zählt zur Kategorie der aktivistischen Aktionäre, die sich nachdrücklich ins Geschäft einmischen, um die Strategie der Unternehmen in ihre Richtung zu lenken. Bei Thyssenkrupp geht es immer wieder darum, profitable Geschäftsfelder zu versilbern. Doch bislang ist die Rechnung nicht aufgegangen. Und: In den vergangenen drei Jahren verlor die Aktie fast 40 Prozent an Wert.

Beobachter vermuten, dass die Schweden immer nervöser werden und mit einem Komplettverkauf der Aufzugssparte endlich Kasse machen wollen. Bislang war lediglich ein Teilverkauf geplant. Entweder über einen Börsengang oder über eine Kooperation in einem Gemeinschaftsunternehmen. Zahlreiche Gespräche wurden bereits geführt. Großes Interesse hat der finnische Rivale Kone signalisiert. Konkrete Offerten sollen bereits eingereicht worden sein.

Gewerkschaft protestiert

Die IG Metall lehnt indes den jüngsten Vorstoß der Schweden vehement ab: „Einen Komplettverkauf des Aufzugsgeschäfts darf es nicht geben. Wer das durchsetzen will, provoziert einen Großkonflikt mit der gesamten Belegschaft des Konzerns“, sagte NRW-Bezirksleiter Knut Giesler dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die IG Metall werde im Aufsichtsrat mit aller Macht gegen solche Pläne vorgehen. Giesler befürchtet erhebliche negative Auswirkungen auf die Beschäftigung und große Schäden für das gesamte Unternehmen.

Einen Komplettverkauf des Aufzugsgeschäfts darf es nicht geben.

NRW-Bezirksleiter Knut Giesler von der IG Metall

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Thyssenkrupp ist ein Konglomerat mit zahlreichen Geschäftsfeldern, die alle mit Stahl zu tun haben. Das Unternehmen fertigt auch U-Boote fürs Militär, ist ein wichtiger Zulieferer für die Automobilindustrie, baut Industrieanlagen und erzeugt natürlich auch Stahl. Der Investitionsbedarf ist hoch. Milliardensummen werden benötigt, um die Prozesse effizienter und klimafreundlicher zu machen. Dazu zählt unter anderem, in der Stahlerzeugung langfristig Kohle durch Wasserstoff zu ersetzen.

Riesiger Schuldenberg lastet auf Thyssenkrupp

Zugleich lastet auf dem Konzern ein riesiger Schuldenberg. Da wirken immer noch die verlustreichen Abenteuer in Brasilien und den USA nach, wo mit unrentablen Stahlwerken Milliardensummen versenkt wurden. Der Konzern hat unter anderem auch immense Pensionsverpflichtungen zu erfüllen. Die Gesamthöhe der Verbindlichkeiten liegt bei rund 30 Milliarden Euro. Ohne die kontinuierlichen Erträge aus der Aufzugssparte wäre es erheblich schwieriger, Forderungen zu bedienen. Zudem würde die ohnehin schon schwache Bonität des Konzerns weiter geschwächt, was neue Kredite teurer macht.

Für Giesler ist deshalb klar: „Der einmalige Erlös eines Komplettverkaufs in Verbindung mit einer Sonderausschüttung für Anteilseigner würde nicht dazu führen, das Unternehmen nachhaltig und zukunftssicher aufzustellen.“ Es kursieren bereits sogar Warnungen, dass bei einer großzügigen Verteilung der Einnahmen aus einem Verkauf die Insolvenz von Thyssenkrupp drohen könnte.

Gründerfamilie sauer

Die IG Metall verlangt denn auch, die bestehenden Beschlüsse des Aufsichtsrats ernst zu nehmen. „Das bedeutet, einen Teilverkauf des Aufzugsgeschäfts umzusetzen – dabei muss Thyssenkrupp die Mehrheit behalten“, so Giesler. Aus den Einnahmen und dem kontinuierlichen Mittelzufluss müsse die Sanierung und Restrukturierung des Konzerns finanziert werden. Auch Martina Merz vertritt bislang diese Position. Sie stand bislang an der Spitze des Kontrollgremiums und soll nun vorübergehend Vorstandschef Kerkhoff beerben, der das Vertrauen sowohl bei Großaktionären als auch in der Belegschaft verloren hat.

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Indes haben sich Nachfahren des Firmengründers Friedrich Krupp im „Handelsblatt“ zu Wort gemeldet. Sie bemängeln, dass die Krupp-Stiftung ihren Auftrag, die Einheit des Unternehmens zu wahren, nicht ehrlich verfolge und eine Zerschlagung dulde. Die Familie ist allerdings schon lange nicht mehr an dem Konzern und auch nicht an der Stiftung beteiligt. Indes gibt es auch von der IG Metall Kritik am größten Aktionär: „Wir fordern von der Krupp-Stiftung, dass sie sich deutlicher positioniert und sich aktiv für ein tragfähiges industrielles Konzept für Thyssenkrupp einsetzt“, so IGM-Bezirksleiter Giesler. Dies sei in den vergangenen Jahren leider versäumt worden.

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