Notenbanken in der Klemme: Wie hoch sollen die Zinsen noch steigen?
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Bürotürme in Frankfurt am Main: Die Europäische Zentralbank wird die Zinsen erneut erhöhen.
© Quelle: Boris Roessler/dpa
Die guten Nachrichten zur Konjunktur häufen sich. Das zwingt die Notenbanken, weiter an der Zinsschraube zu drehen – möglicherweise länger und fester als erwartet. In dieser Woche stellen Fed und Europäische Zentralbank (EZB) wichtige Weichen, und mancher Anleger am Finanzmarkt könnte auf dem falschen Fuß erwischt werden.
Am Dienstag verbreitete der Internationale Währungsfonds (IWF) vorsichtigen Optimismus für die Weltwirtschaft. Von „positiven Überraschungen“ und „unerwarteter Widerstandsfähigkeit“ mehrerer Staaten sprach Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas bei einem Auftritt in Singapur. Er schränkte allerdings ein: „Das ist eine gute Nachricht, aber nicht genug.“ Der IWF hatte zuletzt sehr düstere Prognosen gestellt. Gourinchas hofft jetzt unter anderem auf das Ende der Lockdowns in China und den Rückgang der Energiekosten.
Robuste Wirtschaft in der Eurozone
Auch die Entwicklung in der Euro-Zone macht Hoffnung. Die Wirtschaftsleistung ist Ende vergangenen Jahres noch leicht gestiegen. Zwar war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten Quartal nur 0,1 Prozent größer als in den drei Monaten davor, aber schon das sei eine Überraschung, sagt Martin Morrison von der Fondsgesellschaft DWS. Die deutsche Wirtschaft ist um 0,2 Prozent geschrumpft, die spanische aber zum Beispiel um 0,2 Prozent gewachsen. Zwar gebe es eine Schwächephase, „eine technische Rezession wird jedoch unwahrscheinlicher“.
Ist die Konjunktur robuster als erwartet, hat das allerdings eine Kehrseite: Die Notenbanken müssen mehr bremsen, um die Inflation in den Griff zu bekommen. An diesem Mittwoch entscheidet die Federal Reserve in den USA über die Leitzinsen, die EZB in Frankfurt folgt am Donnerstag.
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Zwei Zinserhöhungen sind sicher
Expertinnen und Experten sind sich weitgehend einig, was Fed-Chef Jerome Powell am Abend verkünden wird: Die Zinsen werden erneut erhöht, aber nicht mehr um 0,5 sondern nur noch um 0,25 Prozentpunkte. Die EZB dagegen werde am Donnerstag noch einmal um 0,5 Prozentpunkte nach oben gehen – sie hat auch später angefangen, an der Zinsschraube zu drehen.
Bei den anschließenden Erklärungen von Powell und seiner EZB‑Kollegin Christine Lagarde könnte es an den Finanzmärkten allerdings unruhig werden. Denn angesichts der optimistischeren Prognosen dürften beide erst recht ihre Entschlossenheit betonen, die Inflation zu bekämpfen – das bedeutet nachhaltigen Zinsanstieg und im schlechten Fall einen Sturz in die Rezession. Beides ist Gift für die Aktienmärkte.
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„Machen es uns zu einfach, wenn wir alles Putin in die Schuhe schieben“
Entlastungspakete? Tankrabatte? Nach Ansicht des Ökonomen Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft ist der Inflation damit nicht beizukommen. Die aktuelle Geldentwertung werde von vielen Faktoren angeschoben, nicht nur vom Gaspreis. Die gesamte Euro-Zone brauche dringend eine geldpolitische Zeitenwende.
Der Finanzmarkt wettet anders
Zwar haben Lagarde und Powell in den vergangenen Wochen keine Zweifel an dieser Linie gelassen, aber an der Börse hat man ihnen nicht recht geglaubt. Viele setzen dort darauf, dass es mit den Zinserhöhungen sehr bald wieder vorbei sein wird. Das Szenario sieht so aus: Die Wirtschaft rutscht in die Rezession, die Inflation geht deshalb schneller zurück als erwartet, und große Zinsschritte sind nicht mehr nötig. Im Gegenteil: Noch in diesem Jahr könnten zumindest in den USA die Leitzinsen schon wieder sinken.
Doch darüber gehen die Ansichten auseinander. „Wenn die jüngste wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit des Euro-Raums anhält, kann es sein, dass die EZB ihre Geldpolitik stärker straffen muss, als dies derzeit an den Finanzmärkten eingepreist ist“, schreibt etwa Konstantin Veit vom Vermögensverwalter Pimco in einer Analyse. Auf den überraschend starken Start ins Börsenjahr würde dann schnell Ernüchterung folgen.
Bei einer wichtigen Entscheidungsgrundlage ist der EZB‑Rat am Donnerstag allerdings auf Schätzungen angewiesen: Wegen technischer Probleme kann das Statistische Bundesamt die deutsche Inflationsrate für Januar erst in der nächsten Woche liefern. Der genaue Termin soll am Freitag bekannt gegeben werden. Nach den Rückgängen im November und Dezember dürften die Preise im Januar wieder deutlicher gestiegen sein.