50 Jahre Earth Day – alles vergebens?

Junge Inderinnen feiern im Jahr 2017 den "Earth Day".

Junge Inderinnen feiern im Jahr 2017 den "Earth Day".

Herr Berners-Lee, am 22. April findet zum 50. Mal der “Earth Day” statt. Er soll die Wertschätzung für die Erde stärken und gleichzeitig zum Nachdenken anregen. Was haben wir denn nach 50 Jahren im Kampf gegen Klimawandel und Umweltzerstörung erreicht?

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Traurigerweise muss man sagen: bisher nicht viel. Die Kurve der jährlichen CO2-Emissionen steigt immer weiter. Den Einbruch durch Covid-19 ausgenommen, steigen die Emissionen so, wie sie es wohl auch getan hätten, hätte die Menschheit nie bemerkt, dass der Klimawandel ein Problem ist. Wir brauchen eine große Veränderung, in der Art wie wir unseren Planten behandeln. Und wir haben bisher nichts davon gesehen - besonders im Hinblick auf den Klimawandel.

Aktionen wie der “Earth Day” waren also vergebens?

Nein, das nicht. Im Bezug auf die Auswirkung des Klimawandels haben sie zwar bisher nichts erreicht. Aber sie haben uns einem nötigen Systemwechsels näher gebracht. In den vergangenen Jahren sind zwei Dinge passiert: Zum einen ist die Krise viel offensichtlicher geworden, wir haben die Symptome des Klimawandels gesehen und verstanden, wie wichtig das 1,5-Grad-Ziel ist.

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Zudem gibt es viele Zeichen dafür, dass die Menschen jetzt aktiv werden. Sie sind auf die Straßen gegangen, die Medien berichten besser über den Klimawandel und die Unternehmen, mit denen ich zusammenarbeite, fragen sich ernsthaft, wie für sie beispielsweise eine Abkehr von fossilen Brennstoffen aussehen könnte. Das alles ist in den vergangenen 18 Monaten passiert. Das macht Mut. Und es ist möglich, dass die Corona-Pandemie genau der Moment ist, in dem wir ernsthaft mit dem Übergang in ein nachhaltiges Leben beginnen.

“Covid-19 ist eine Chance zur Reflektion”

Warum, glauben Sie, ist die Corona-Krise dafür ein geeigneter Zeitpunkt?

Wir wurden zu einer Menge Veränderungen gezwungen. Das war unangenehm, hat uns aber gezeigt, dass viel mehr Veränderungen möglich sind, als wir jemals gedacht hätten. Außerdem bieten uns die Auswirkungen der Corona-Pandemie die Möglichkeit, einen Gang runterzuschalten und darüber nachzudenken, was uns wichtig ist. Das haben wir absolut nötig gehabt: Eine Pause einlegen, sich neu sammeln und einen neuen Plan machen. In gewisser Weise bietet Covid-19 eine Chance zur Reflektion, wie wir sie normalerweise nicht erwartet hätten. Ja, es ist unangenehm, aber lassen Sie uns sie wenigstens nutzen.

Muss man nicht viel eher davon ausgehen, dass nach dem Ende der Krise alle so schnell wie möglich zur alten Normalität zurückkehren wollen? Dass dann etwa auch die CO2-Emissionen wieder steigen - sogar mehr als zuvor?

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Ich denke, an manchen Orten könnte das passieren. Aber so muss es nicht sein. Nehmen Sie zum Beispiel den Flugverkehr: Manche Menschen haben nun vielleicht erkannt, dass sie eigentlich gar nicht so viel fliegen müssen, dass es auch so funktioniert. Wahrscheinlich werden auch ein paar Menschen denken: Ich kann es gar nicht abwarten, in den Urlaub zu fliegen. Aber ich hoffe, dass viele darüber nachgedacht haben und zu dem Schluss gekommen sind, dass eine Welt, in der weniger Flugzeuge am Himmel und weniger Autos auf der Straße sind, schöner ist.

Mike Berners-Lee ist Professor am "Institut für Soziale Zukunft" an der Lancaster University und forscht unter anderem zu CO2-Bilanzen. Sein neuestes Buch "Es gibt keinen Planet B - Das Handbuch für die großen Herausforderungen unserer Zeit" ist im Midas-Verlag erschienen. Mike Berners-Lee ist der jüngere Bruder von Tim Berners-Lee, dem Erfinder des World Wide Web.

Mike Berners-Lee ist Professor am "Institut für Soziale Zukunft" an der Lancaster University und forscht unter anderem zu CO2-Bilanzen. Sein neuestes Buch "Es gibt keinen Planet B - Das Handbuch für die großen Herausforderungen unserer Zeit" ist im Midas-Verlag erschienen. Mike Berners-Lee ist der jüngere Bruder von Tim Berners-Lee, dem Erfinder des World Wide Web.

“Der Normalzustand ist nichts Besonderes”

Aber muss der Kampf gegen den Klimawandel jetzt nicht erstmal warten, bis alles wieder normal ist?

Der Normalzustand ist nichts Besonderes. Es ist ja nicht so, als ob das Leben vor dem Virus perfekt gewesen wäre. Wenn Ihr Haus abgebrannt ist, würden Sie es ja auch nicht genauso wie vorher wieder aufbauen, sondern Sie würden die Gelegenheit nutzen, es zu verbessern. Jetzt haben wir die Möglichkeit, es besser zu machen. Es war nie einfacher.

Worauf sollte man sich also etwa beim Wiederaufbau der Wirtschaft konzentrieren?

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Wir sollten uns zum Beispiel auf grüne Jobs konzentrieren, also grüne Technologien oder erneuerbare Energie. Aber auch auf eine Kreislaufwirtschaft, in der wir weniger Dinge kaufen und darauf achten, dass sie nachhaltig produziert werden und lange halten. Wir brauchen eine Reparaturwirtschaft, in der unsere Hauptstraßen voller Geschäfte sind, in denen man seine Kleidung, seine elektronischen Geräte und Möbel reparieren lassen kann. Wir brauchen eine “Sharing economy”, in der wir zum Beispiel nicht alles, was wir nur selten nutzen, besitzen müssen. Wir haben jetzt die Chance, eine bessere und grünere Wirtschaft aufzubauen. Nur zur Normalität zurückkehren zu wollen, kommt mir da sehr einfallslos und deprimierend vor.

“Fossile Brennstoffe im Boden lassen”

Wie schlimm ist es, dass die UN-Klimakonferenz in Glasgow wegen des Coronavirus auf das nächste Jahr verlegt wurde?

Wenn das uns die Chance bietet, es richtig zu machen und das meiste aus den Gesprächen herauszuholen, dann kann ich ein paar Monate länger warten.

Demonstrationen sind derzeit an vielen Orten unmöglich. Schadet das der Klimabewegung?

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Ich hoffe nicht. Wenn es über lange Zeit nicht möglich ist, zu protestieren, ist das besorgniserregend. Denn wir brauchen dieses Mittel. Gesellschaften müssen in der einen oder anderen Weise in der Lage sein, zu protestieren. Trotzdem sehen wir, dass viele richtige Dinge geschehen. Viele Menschen machen sich derzeit Gedanken darüber, was nötig ist, um die Umweltkrise zu bewältigen. Das ist ermutigend.

Wenn Sie einen Wunsch äußern dürften, wo die Welt im Kampf gegen den Klimawandel am 51. “Earth Day” steht - wie sähe der aus?

Dass dies das Jahr ist, in dem es wirklich eine Veränderung gab. Das wir sagen können: Wir mussten unsere Wirtschaft herunterfahren und als wir sie wieder hochgefahren haben, haben wir uns auf den richtigen Weg gemacht. Ich würde mir wünschen, dass wir in den nächsten 12 Monaten die fossilen Brennstoffe tatsächlich im Boden lassen und die CO2-Emissionen erstmals wirklich sinken. Nicht wegen des Coronavirus, sondern weil wir unsere Lebensweise verändert haben, weil wir mehr auf unseren Planeten achtgeben. Wir brauchen eine grundlegende Veränderung des Systems und ich hoffe, das ist das Jahr, in dem sie geschieht.



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