Ablehnung schafft Leid
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Helmut Nowak ist Coach und Lehrer für Achtsamkeit und Stressbewältigung und schildert hier regelmäßig, wie man lernt, bewusster zu leben.
© Quelle: privat
Hannover. Fast jeder hat solche oder ähnliche Erfahrungen gemacht: Man ist in Gedanken, stolpert oder rutscht aus, fällt hin mit dem Ergebnis blauer Flecken oder gar gebrochener Knochen. Die Folge sind Schmerzen, aber oft weit mehr: Ärger über sich selbst, über die Unebenheit des Weges, über das Wetter – und überhaupt die Klage, dass das Schicksal uns wieder mal nicht wohlgesinnt war.
Film ab im Kopfkino
Dann dauert es nicht lange, und unser Kopfkino legt los, überflutet uns mit Katastrophenszenarien, mit Vorstellungen und Befürchtungen als mögliche Folgen des Unfalls: Der wichtige Termin platzt und erzeugt so alle negativen Konsequenzen, die Sorge, dass man sich lächerlich macht, und so fort.
Der nutzlose Kampf gegen den innerer Widerstand
Verallgemeinernd kann man sagen: Das Leben zeigt sich ab und zu mit Gegebenheiten, die wir so nicht haben wollen. Und oft stellt sich dann gegenüber dieser Art von Geschehnissen eine Art innerer Widerstand ein. Hilft das? Natürlich nicht. Distanziert gesehen ist das Aufflammen von Verdruss, Stress oder Ärger nicht hilfreich, sondern zusätzlich leidvoll. Man kann in diesem Fall von doppeltem Schmerz sprechen: der primäre Schmerz infolge des Sturzes, um bei dem Beispiel zu bleiben, und dem sekundären Schmerz oder Leid. Dieser wird umso größer, je mehr wir uns innerlich gegen den eigentlichen Schmerz auflehnen.
Den Schmerz akzeptieren lernen
Natürlich ist es vernünftig zu versuchen, den ersten Schmerz zu lindern – keine Frage. Das kann mehr oder weniger gut, langsam oder schnell gelingen. Allerdings: Beliebig gut oder schnell geht es nicht. Alles haben wir nicht in der Hand. Was wir allerdings in der Hand haben, ist die Einflussnahme auf die Intensität des Leidens, des sekundären Schmerzes. Wie? Nun, dadurch, dass wir gegen den primären Schmerz den Widerstand aufgeben. Oder anders formuliert – dadurch, dass wir den Schmerz akzeptieren. Je mehr wir den primären Schmerz annehmen können, desto geringer wird das Leid. In buddhistischen Lehrreden wird in diesem Zusammenhang von der „buddhistischen Leidensformel“ gesprochen: Leiden ist gleich Schmerz mal Widerstand. Leiden vergrößert sich mit erhöhtem Widerstand gegen das, was unangenehm ist, und umgekehrt verringert sich das Leiden, je mehr man es akzeptieren kann.
„...Nur dein Widerwille ist es, der wehtut, sonst nichts.“
Ein Zitat des Dichters Hermann Hesse bringt es sehr poetisch zum Ausdruck: „Du weißt ja alles selbst, du weißt in deinem Innersten ganz wohl, dass es nur einen einzigen Zauber, eine einzige Kraft, eine einzige Erlösung und ein einziges Glück gibt und dass es Lieben heißt. Also liebe das Leid! Widersteh ihm nicht, entflieh ihm nicht! Koste, wie süß es im Innersten ist, gib dich ihm hin, empfange es nicht mit Widerwillen! Nur dein Widerwille ist es, der wehtut, sonst nichts.“
Der Weg zur Akzeptanz
So weit, so gut – wie aber lässt sich die Fähigkeit der Akzeptanz entwickeln? Eine Möglichkeit besteht darin, die innere Bewertung des Geschehens aufzugeben. Denn das ist lediglich eine Gewohnheit und daher veränderbar. Durch die Entwicklung von Achtsamkeit erhöht sich das Bewusstsein, und damit ist der Grundstein für einen Ausstieg aus Gewohnheiten gegeben. So gelingt es einem mehr und mehr, die negativen Bewertungen und damit das sich entwickelnde Leiden zu erkennen und stattdessen innerlich zu sagen: „Ja, so ist es.“
Üben macht den Akzeptanzmeister
Beginnen Sie im Kleinen, im Alltag. Üben Sie, die Gegebenheiten zu akzeptieren, über die Sie sich normalerweise aufregen. Ob es der unfreundliche Kellner ist, der verpasste Zug oder der streikende Computer. Eckhart Tolle, ein zeitgenössischer spiritueller Lehrer und Bestsellerautor, bringt es in seinem Buch „Stille spricht“ auf den Punkt: „Sobald man eine Situation – so schmerzhaft sie auch sein mag – akzeptiert so, wie sie ist, ohne sie zu bewerten, verliert sie an Ernsthaftigkeit. Es ist wahre Freiheit und damit die Aufhebung des Leidens, wenn du so lebst, als hättest du das, was du in diesem Augenblick fühlst oder erlebst, vollkommen selbst gewählt. Diese innere Übereinstimmung mit dem Jetzt setzt dem Leiden ein Ende.“
Diese radikale Haltung scheint mir allerdings eher Fortgeschrittenen vorbehalten zu sein, oder?
Der Autor ist zu erreichen unter: www.achtsamkeit-und-co.de
Von Helmut Nowak/RND