Artenschutz-Experte: “Natur schützen heißt auch Gesundheit schützen”
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Arnulf Köhncke von der Naturschutzorganisation WWF sieht einen Zusammenhang zwischen der Corona-Pandemie und Umweltzerstörungen.
© Quelle: Daniel Seiffert/WWF
Arnulf Köhncke ist von Haus aus promovierter Ökologe und Biologe. Er arbeitet als Fachbereichsleiter Artenschutz bei der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF Deutschland und beschäftigt sich mit den Zusammenhängen von Mensch, Umwelt und Gesundheit. Neuerdings sitzt Arnulf Köhncke als Sachverständiger im Umweltausschuss des deutschen Bundestags und berät bei Strategien zur Vermeidung von Zoonosen, sprich: Viren, die aus der Tierwelt auf den Menschen übergehen.
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Arten- und Klimaschützer fordern, es müsse dringend stärker gegen den Waldrodungen vorgegangen werden. Dadurch ließe sich auch das Infektionsrisiko durch neue Erreger minimieren.
© Quelle: Angelika Warmuth/dpa
Herr Köhncke, sind Sie überrascht, dass sich das Coronavirus so schnell ausgebreitet hat?
Dass Viren aus dem Tierreich vermehrt auf den Menschen überspringen, war zu erwarten. Es gab schon vor Corona Warnungen, dass es dazu kommt. Wir hatten 2002 den Sars-Ausbruch, der vermutlich auf einen Erreger-Ursprung von Schleichkatzen zurückzuführen ist, dann ab 2012 die Mers-Fälle, in Verbindung mit Dromedaren. Wir hatten wohl einfach Glück, dass sich diese Viren-Übergänge auf den Menschen nicht zu einer folgenschweren Pandemie wie jetzt beim Coronavirus entwickelt haben.
Virologen gehen davon aus, dass das Coronavirus auf einem Wildtiermarkt im chinesischen Wuhan auf den Menschen übertragen wurde. Wieso sind solche Märkte riskant?
Unzureichend regulierte Wildtiermärkte und ein schlecht kontrollierter Wildtier-Konsum sind Katalysatoren, weil die Tiere dort auf engem Raum gehalten werden. Es gibt Lebend-Schlachtungen, einen engen Kontakt mit Menschen und unter den Wildtier-Arten. Diese würden sich sonst in der freien Natur wohl niemals begegnen, schon gar nicht auf so engem Raum.
Umweltzerstörung begünstigt Virenübertragung aus der Tierwelt
Die Belege aus der Forschung machen deutlich, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen der Umweltzerstörung und der Zunahme von Infektionskrankheiten gibt.
Woran erkennen Sie einen „Brandherd“, an dem es zu gefährlichen Viren-Übertragungen kommen könnte?
Ein erhöhtes Risiko eines Wildtiermarkts für die Übertragung von Erregern auf den Menschen hängt mit mehreren Faktoren zusammen. Werden bestimmte Tierarten mit einem möglichen Reservoir an Erregern gehandelt – Fledermäuse, Nagetiere, Primaten, Wildvögel, Spitzmäuse? Werden sie lebend oder tot angeboten? Wie viel Platz haben die Tiere? Auch Hygiene-Faktoren sind wichtig und das Stresslevel, denn das begünstigt die Übertragung von Infektionskrankheiten.
Gerade in urbanen Regionen kommen viele Menschen und Tiere auf einmal zusammen. In Europa sehe ich solche „Brennherde“ mit extrem hohem Risiko aber weniger. Hier hat es in der Vergangenheit eher Virus-Übertragungen von Haustieren auf den Menschen gegeben.
Wissenschaftler weisen darauf hin, dass nicht nur der Wildtier-Handel als Ursache für die Zunahme von Infektionskrankheiten gesehen werden kann.
Die Belege aus der Forschung machen deutlich, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen der Umweltzerstörung und der Zunahme von Infektionskrankheiten gibt. Beispielhaft sehen wir das bei Malaria. Schon wenn kleine Waldstücke gerodet werden, steigen die Infektionszahlen, weil sich die Mücken als Überträger der Krankheit in der von Menschen veränderten Umwelt besser ausbreiten können.
Zwar gehen ganze Ökosysteme und deren spezialisierte Arten durch die Zerstörung verloren. Es gibt aber einzelne Arten, wie etwa die Mücken, die sich besonders gut an die veränderten Bedingungen anpassen, sich weiter verbreiten und dadurch häufiger auf Menschen treffen. Auch andere Arten, die als Reservoir für zoonotische Erreger gelten – Fledermäuse, Nagetiere – überleben teilweise sogar besser, wenn ihre natürlichen Lebensräume gestört werden. Dadurch wird Umweltzerstörung nicht nur zu einem echten Problem für die Artenvielfalt, sondern auch für die Gesundheit von Menschen.
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Mücken übertragen Malaria – bereits Netze können Menschen vor der Ansteckung schützen.
© Quelle: Stephen Morrison/dpa
Pandemie-Prävention funktioniert nur mit Arten- und Klimaschutz
Die Corona-Pandemie ist ein ganz klares Warnsignal dafür, dass wir unseren zerstörerischen Umgang mit der Natur überdenken und korrigieren müssen.
Was ist in diesen Zeiten wichtiger – die Pandemie-Prävention, der Artenschutz oder der Klimaschutz?
Natur schützen heißt auch Gesundheit schützen. Pandemie-Prävention, das Erhalten der Artenvielfalt, das Erreichen der Pariser Klimaziele – wir müssen das alles zusammen denken, weil das auch alles zusammenhängt. Dafür sind die wissenschaftlichen Belege sehr klar. Und darüber hinaus: Die Natur gibt uns noch weitaus mehr als geringere Pandemie-Risiken. Sie gibt uns Wasser, Nahrung, Erholung, Ernährung. Ganz wichtige und fundamentale Dinge hängen mit der Natur zusammen. Die Corona-Pandemie ist ein ganz klares Warnsignal dafür, dass wir unseren zerstörerischen Umgang mit der Natur überdenken und korrigieren müssen.
Welche Strategien fordern Sie jetzt bei der Fachausschuss-Sitzung des Bundestages, bei dem es um die Risikominimierung von Virenübertragungen von Tieren auf den Menschen geht?
Die Konjunkturprogramme und Notfallhilfen, über die wir jetzt reden, sollten an den Erhalt von Artenvielfalt und Klimaschutz geknüpft werden. Nur so schaffen wir es, eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Auch das konsequente Vorgehen gegen den illegalen Wildtierhandel und die Schließung von Hochrisiko-Märkten ist jetzt ganz wichtig.
Langfristig muss die Politik sektorübergreifend und auch in der Entwicklungszusammenarbeit andere Staaten in diesen Bemühungen unterstützen, gerade außerhalb Europas. Da gibt es schon Bemühungen und Projekte, aber es braucht noch mehr Anstrengungen. Es muss dringend stärker gegen den Lebensraumverlust und Waldrodungen vorgegangen werden. Es muss sichergestellt werden, dass in den Lieferketten, die uns hier in Europa erreichen, keine Produkte verkauft werden, die anderswo bei der Herstellung zur Rodung von Wäldern führen, dass diese Lieferketten also entwaldungsfrei werden.