Glatt daneben: Was straffe Haut verspricht – und worauf Laien besser verzichten
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Seit Jahren gilt Hyaluronsäure in der Welt der Reichen und Schönen als Wundermittel für glatte Haut. Nun macht sich auf Tiktok ein gefährlicher Trend breit: Nutzerinnen und Nutzer spritzen sich das Mittel selbst in die Lippen.
© Quelle: picture-alliance / BSIP/B. BOISSONNET
Die Stars und Sternchen dieser Welt haben ihre ganz eigenen Methoden, um trotz eines natürlichen Alterungsprozesses jung und schön zu bleiben. Und so ungewöhnlich oder teuer diese auch sind: In Zeiten von sozialen Netzwerken nehmen sich oft auch die, deren Haut noch gar nicht zu altern droht, ein Beispiel daran. Denn durch die Nähe, die berühmte Persönlichkeiten hier vermitteln, suggerieren sie „Ich bin wie du“, erklärt Hanna Klimpe, Professorin für Social Media an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. „Das wiederum heißt: Du kannst auch so sein.“
Vor allem bei Hautaufpolsterungen, die seit Jahren immer wieder Schlagzeilen machen, ist das im Zweifelsfall problematisch. Denn: „Das ist ein preissensibler Markt, da fangen wir für Hyaluronsäure- oder Eigenfettbehandlungen bei Beträgen ab 2000 bis 3000 Euro an“, erklärt Daniel Wilder, Facharzt für Dermatologie und plastische Chirurgie aus Stuttgart. „Das haben viele junge Menschen nicht auf der Tasche.“ Doch fehlendes Geld bedeutet für den Verschönerungsversuch, wird er dann trotzdem bemüht, oft fehlende Expertise – sprich den Griff zu zweifelhaften Methoden. Drei Trends unter der Lupe.
Sich selbst mit Hyaluronsäure die Lippen aufspritzen – ein gefährlicher Tiktok-Trend
Es ist ein fragwürdiger wie gefährlicher Trend, der aktuell auf der Videoplattform Tiktok – wo das Mindestalter offiziell bei 13 Jahren liegt – kursiert: Nutzerinnen und Nutzer spritzen sich selbst mit Hyaluron die Lippen auf.
Zwar handelt es sich hierbei um einen frei verfügbaren und körpereigenen Stoff. „Dennoch sollte Hylauronsäure rezeptpflichtig sein“, findet Lutz Kleinschmidt, Arzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und Teil des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC). „Allerdings nicht wegen des Stoffes selbst, sondern wegen der Anwendung.“
Denn damit die Hyaluronsäure ihre Wirkung entfaltet, muss sie unter die Haut gespritzt werden. Das birgt Risiken: „Besonders im Gesicht gibt es viele anatomisch schwierige Stellen“, sagt Kleinschmidt. „Wenn man diese nicht genau kennt, kann es sein, dass die Injektion Blutgefäße von außen zudrückt.“ In diesem Fall färbe sich die Haut weiß, weil sie nicht mehr durchblutet wird. Nötig sei dann ein Gegenmittel, das Ärztinnen und Ärzte in der Regel vorrätig hätten – ein Laie jedoch nicht.
„Leichtere mögliche Komplikationen sind Infektionen und ästhetisch unschöne Ergebnisse“, sagt der Mediziner. Größere Gefahr drohe dagegen bei einer Injektion direkt in das Innere eines Blutgefäßes. „Falls dieses Blutgefäß die zentrale Netzhaut-Arterie ist, ist das Auge unweigerlich und irreparabel blind.“
Darüber hinaus besteht Kleinschmidt zufolge immer das Risiko von minderwertiger Produktqualität. „Seriöse Hersteller von Hyaluronsäure verkaufen diese nicht auf dem freien Markt – bei allen anderen Produkten kann man nie sicher sein, dass es sich um gutes und reines Hyaluron handelt.“ Auch fehle Laien die nötige Erfahrung beim Unterspritzen, zumal die erforderliche Sterilität in einem gewöhnlichen Haushalt kaum möglich sei.
Aufpolsterung für den Po: Marketingseiten und Bilder in sozialen Medien sind unrealistisch
Ein noch umstrittenerer, weil auch gefährlicherer Trend ist die Aufpolsterung für den Po. Beim „Brazilian Butt Lifting“ wird körpereigenes Fett in das Gewebe eingesetzt, teilweise auch in die Muskulatur. Das führte in der Vergangenheit bereits zu Todesfällen. „Wenn das Eigenfett in Gefäße eindringt, kann das zum Verschluss führen“, erklärt Wilder. Mittlerweile sei es deshalb üblich, die Transplantation eher oberhalb des Muskels durchzuführen – „da ist es nicht ganz so gefäßreich“.
Einen unkomplizierteren Eingriff verspricht die Po-Aufpolsterung mithilfe von Hyaluronsäure. Doch auch hier bedarf es zwingend einer fachkundigen Hand, betont Wilder: „Beim Einsetzen der Spritze kann man Fremdkörperreaktionen und Gefäßverletzungen verursachen“, erklärt der Stuttgarter Arzt.
Immer wieder kämen Patientinnen und Patienten in seine Praxis, weil die Säure nicht optimal eingespritzt worden sei und es Probleme mit gebildeten Knötchen, bakteriellen Infekten, asymmetrischen Ergebnissen oder Dellenbildungen gebe. Schwierig werde es jedoch bei Fremdkörperreaktionen: „Da muss man dann mit Cortisonstößen arbeiten“, sagt Wilder. Die Therapie dauere im Zweifelsfall sogar einige Monate.
Nicht nur wegen der möglichen Komplikationen rät der plastische Chirurg, sich im Vorfeld umfassend über den Eingriff zu informieren. Marketingseiten und Bilder in den sozialen Medien zeigten kein realistisches Bild: „Dort wird nur von den schönen Ergebnissen berichtet – aber es gibt eine Range von eher unkomplizierten zu eher gefährlichen Eingriffen.“
Cupping: Das Gesichtsschröpfen ist ein Tiktok-Trend aus der chinesischen Medizin
Jamie Sue Sherrill, besser bekannt als „Nurse Jamie“, ist für viele Promis die Inkarnation einer Wunderwaffe: Zu ihren Kundinnen zählen etwa Kim Kardashian, Chrissy Teigen und Emily Ratajkowski. Sherrill ist „Celebrity Skin Expert“. Heißt: Sie glättet jegliche unerwünschte Wogen, die das Gesicht zu bieten hat.
Dabei kommt neben Botox und Hyaluronsäure das Gesichtsschröpfen zum Einsatz. Was zu Deutsch eher unästhetisch klingt, heißt auf Englisch Cupping und ist ein Trend, der mittlerweile weit über die Grenzen Hollywoods hinausgeht. Allein bei Tiktok finden sich unter dem dazugehörigen Hashtag etwa 509 Millionen Beiträge – Tendenz steigend.
Das Schröpfen stammt aus der traditionellen chinesischen Medizin und findet hierzulande vor allem in der Naturheilkunde Anwendung. Dabei wird mit Hilfe von halbrunden Gefäßen aus Glas etwa drei bis fünf Minuten ein Unterdruck erzeugt, der Durchblutung und Lymphfluss anregt. Langfristig verspricht das eine straffere Haut und löst Verspannungen, kurzfristig machen sich vor allem Abdrücke und Blutergüsse bemerkbar.
Im Gesicht funktioniert das Cupping ähnlich, allerdings bieten sich hier Tässchen aus Silikon an, da sie sanfter zur Haut sind. Darüber hinaus gibt es sie in verschiedenen Größen, was eine Anwendung auf verhältnismäßig kleinen Hautpartien ermöglicht. Durch eine kreisende Bewegung werden beim Gesichtsschröpfen die Zellen angeregt, mehr Kollagen zu produzieren.
Das Cupping birgt damit zwar weniger Risiken als das Unterspritzen. Harmlos ist die Methode für Laiinnen und Laien jedoch nicht. Wer sich etwa mit einem Cup zu lange auf eine Stelle fokussiert, riskiert unschöne Blutergüsse im Gesicht, schlimmstenfalls sind sogar bakterielle Infektionen möglich. Auch hier empfiehlt sich daher ein Besuch bei der Expertin oder dem Experten. Eine 40-minütige Behandlung kostet im Schnitt 40 bis 60 Euro. Günstig ist das vor dem Hintergrund, dass sich für bestmögliche Ergebnisse eine regelmäßige Wiederholung empfiehlt, nicht.
Beauty-Trends auf Tiktok, Instagram und Co. – DIY ist selten eine gute Idee
Was alle Trends eint? Der Gang in eine Fachklinik vermeidet unerwünschte und gefährliche Nebenwirkungen. Außerdem gilt aus Sicht von Hautarzt Daniel Wilder: Sich ausgiebig über mögliche Risiken zu informieren, ist das A und O, unabhängig von der Methode. Im Zweifelsfall sei es sogar ratsam, sich zwei Meinungen einzuholen. Am Ende geht es für Wilder allerdings auch darum, „auf das eigene Gefühl zu hören“.
Aber ganz unter uns: Ein Blick aufs Konto schadet, unabhängig von der Aufpolsterung der Wahl, sicher auch nicht – und hilft dabei, Kosten und Nutzen abzuwägen.