Keine Erfindung des 20. Jahrhunderts: Chromstahl wurde schon im Mittelalter produziert
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/IZWG7AZ4KVEU3OL7LCHZUM3XJE.jpeg)
Chromitsand ist rund um Chahak in größeren Mengen zu finden.
© Quelle: Rahil Alipour, UCL
Chromstahl ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, sondern wurde schon fast 1000 Jahre früher in Persien hergestellt. Das berichten Forscher nach Ausgrabungen in der Stadt Chahak im Südiran. Die Hersteller verwendeten Chrom jedoch nicht für rostfreien Stahl, wie es heute üblich ist, sondern in kleineren Mengen, um den Stahl härter zu machen. Das berichtet die Gruppe um Rahil Alipour vom University College London im “Journal of Archaeological Science”.
Chrom war damals höchstens als Spurenelement in Stahl zu finden
Am Beginn der Untersuchung stand ein persischer Feuerschläger aus dem 12. oder 13. Jahrhundert – also ein stählernes Gerät zum Erzeugen von Funken. In dem Stahl entdeckten die Wissenschaftler einen Chrom-Gewichtsanteil von 3,7 Prozent. Das ist sehr ungewöhnlich, denn sonst kommt Chrom in Stahl aus jener Zeit höchstens als Spurenelement vor.
Zudem hatten die Forscher ein Rezept zur Stahlherstellung, das von dem persischen Universalgelehrten Abu-Raihan Biruni (973-1048) stammt – aber nicht eindeutig war. Darin nennt er eine geheimnisvolle Zutat, “rusakhtaj”, was übersetzt “das Verbrannte” bedeutet. “Die Sprache und die Begriffe, die zur Aufzeichnung technologischer Prozesse oder Materialien verwendet werden, sind möglicherweise nicht mehr gebräuchlich, oder ihre Bedeutung und Zuordnung können sich von denen unterscheiden, die in der modernen Wissenschaft verwendet werden”, wird Ko-Autor Marcos Martinón-Torres von der University of Cambridge in einer Mitteilung zitiert.
Große Mengen Chromit entstehen selten versehentlich
Aufgrund verschiedener Indizien vermuteten Alipour und Kollegen, dass es sich dabei um schwarzen Chromitsand handelt. Also analysierten sie Reste von Schmelztiegeln und Öfen sowie Schlacke aus dem Ort Chahak, der damals ein Zentrum der Stahlherstellung war. In der Schlacke der Tiegel fanden die Forscher einen Chromgehalt von bis zu 2,2 Prozent Gewichtsanteil. In den insgesamt 15 Proben waren es durchschnittlich 1,1 Prozent.
Anhand von Kohleresten datierten sie die Funde per Radiokarbonmethode auf das 11. bis 12. Jahrhundert. Anhand der Größe der Tiegel errechneten die Wissenschaftler einen Anteil von durchschnittlich 56 Gramm metallischem Chrom pro Vier-Kilogramm-Stahlblock. “Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass so viel Chromit (oder ein anderes chromreiches Mineral) versehentlich oder als regelmäßige Verunreinigung in einem der anderen Bestandteile der Tiegelfüllung gelangt ist”, schreibt das Team.
Chrom macht den Stahl härter
Wegen des hohen Gehalts von Siliziumdioxid in der Schlacke (44 Prozent Gewichtsanteil) gehen die Forscher davon aus, dass das Chrom in Form von Chromitsand in den Tiegel gelangte. Chromitsand ist rund um Chahak in größeren Mengen zu finden.
Chromanteile unter vier Prozent werden heute nur bei der Herstellung von Stahl für Werkzeuge verwendet, weil dies den Stahl härter macht. Zum Schutz vor Korrosion ist ein höherer Chromanteil nötig: Erst ab 10,5 Prozent ist von “rostfreiem Stahl” die Rede.
Phosphor wurde unbeabsichtigt beigefügt
Bei einem anderen Bestandteil des Stahls aus Chahak gehen die Wissenschaftler von einer unbeabsichtigten Beimengung aus: Phosphor. Mit einem Gewichtsanteil von etwa zwei Prozent kann er den Stahl spröde und zerbrechlich machen. Womöglich sei der Phosphor bereits an das verwendete Eisen gebunden gewesen, glauben die Forscher.
Diese Schwäche des Stahls war offenbar damals schon bekannt, wie Ko-Autor Thilo Rehren vom University College London betont: “In einem persischen Manuskript aus dem 13. Jahrhundert war Chahak-Stahl für seine feinen und exquisiten Muster bekannt, aber seine Schwerter waren auch spröde, weshalb sie ihren Marktwert verloren.”
RND/dpa