Plötzlich digital arbeiten? Ältere lernen das nicht schlechter, aber anders
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Das Alter spielt Bildungsexperten zufolge für den Lernerfolg keine Rolle.
© Quelle: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Viele Lehrerinnen und Lehrer hätten sich gut auf die Onlinelehre umstellen und die dafür nötige Technik erlernen können, meint Bildungsforscherin Prof. Anne Sliwka von der Universität Heidelberg. Wenngleich der Eindruck mancher Eltern ein anderer ist: Sie habe als Jurymitglied des „Deutschen Schulpreis spezial“ viele neue und gute Konzepte gesehen, die Schulen im Umfang mit der Corona-Krise entwickelt haben.
Ihrer Einschätzung nach „haben sich Lehrerkräfte verschiedener Generationen untereinander unterstützt und voneinander gelernt“. Sich beruflich fortzubilden gehört auch in anderen Professionen dazu – unabhängig von Pandemien. „Dabei spielt das kalendarische Alter für den Lernerfolg keine Rolle“, sagt Christiane Hof, Professorin für Erwachsenenbildung an der Goethe-Universität Frankfurt/Main.
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Lernfähigkeit bleibt – auch mit 60 Jahren
Grundsätzlich könne man im Alter von 60 genauso gut etwas Neues lernen wie mit 20 Jahren, meint Wissenschaftlerin Hof. Bestimmte Fähigkeiten nehmen im Alter zwar ab. Es sind biologische Abbauprozesse und sie betreffen zum Beispiel Muskelkraft, das Seh- und Hörvermögen. Auch das Gedächtnis wird störanfälliger und das Gehirn weniger durchblutet. Die Lernfähigkeit bleibe jedoch mit steigendem Alter erhalten. Das Urteilsvermögen, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit nehmen sogar zu, zeigen Studien.
Viele haben Angst zu versagen, etwas falsch zu machen.
Karin Harnack
Volkshochschullehrerin
Wir lernen mit zunehmendem Alter nicht schlechter, aber anders. Karin Harnack ist pensionierte Mittelschullehrerin, unterrichtet Seniorinnen und Senioren an der Volkshochschule Dresden in Englisch. „Es dauert etwas länger und wir gehen kleinschrittiger vor, um zum Beispiel neue Vokabeln zu lernen. Ältere brauchen außerdem viele Wiederholungen.“ Die 65-Jährige lernt selbst gerade Französisch und kann sich deshalb in die Rolle ihrer erwachsenen Schüler hineinversetzen. „Viele haben Angst zu versagen, etwas falsch zu machen.“
Das sei ein Unterschied zu den Jugendlichen, die sie früher unterrichtet hat. Mit viel Lob und Spaß beim Lernen versuche sie, Hemmungen abzubauen. Wie auch Claudia Haase aus Hannover: Sie lehrt seit mehr als 30 Jahren Italienisch „und bei mir gibt es immer was zu lachen. Das ist für viele eine Motivation für den Kurs.“ Sie hat bemerkt, dass ältere Teilnehmende im Vergleich zu Jüngeren oftmals ehrgeiziger und beständiger beim Lernen sind.
Gewohnheiten aufgeben für neue Lerntechniken
Früher ging es in der Schule oft darum, auswendig zu lernen. „Ältere haben deshalb oft keine systematische Lerntechnik“, erklärt die Psychologin Prof. Una Röhr-Sendlmeier von der Universität Bonn. Dazu gehört beispielsweise das inhaltliche Zusammenfassen von gelesenen Absätzen. „Solche Techniken können wir aber auch im fortgeschrittenen Alter noch erlernen und trainieren.“
Auf den Erhalt der geistigen Funktionen hat eine insgesamt aktive und engagierte Lebensführung einen positiven Einfluss. Auch die körperliche Fitness ist bedeutsam.
Una Röhr-Sendlmeier
Psychologin
Während Jugendliche beim Lernen genauer seien, hinterfragen Erwachsene im Vergleich stärker. „Für Ältere rückt die Sinnfrage eines Lernvorhabens in den Mittelpunkt, weil für das Lernen vielleicht Gewohnheiten aufgegeben werden müssen“, sagt Röhr-Sendlmeier. „Das Lernziel muss die damit verbundene Anstrengung wert sein.“ Einen großen Vorzug beim Lernen im Alter sieht sie darin, dass wegen der größeren Lebenserfahrung neue Erkenntnisse mit schon bestehenden verknüpft werden könne. „Das fördert den Erwerb neuen Wissens enorm.“
Wenn es trotzdem schwerfällt, etwas Neues zu begreifen, kann das andere Ursachen haben: „Wer nicht gewohnt ist zu lernen, hat eher Schwierigkeiten“, erklärt Psychologin Röhr-Sendlmeier. Leichter ist es hingegen für jene mit höherem Schulabschluss oder regelmäßiger Weiterbildung und einem Beruf, der täglich Neues abverlangt. Wer sozial und kulturell aktiv sei, sei ebenso im Vorteil. „Auf den Erhalt der geistigen Funktionen hat eine insgesamt aktive und engagierte Lebensführung einen positiven Einfluss. Auch die körperliche Fitness ist bedeutsam.“ Wer sich unwohl fühle, könne sich schlechter konzentrieren. Auch Vorbehalte können beim Lernen blockieren. „Wenn ich davon überzeugt bin, dass ich das nicht mehr lernen kann, dann wird es damit auch schwerer.“ Das Interesse am Thema hingegen beflügele.
Nach der aktuellen Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Weiterbildungsverhalten in Deutschland haben sich 2018 mehr als 28 Millionen Menschen im Rahmen eines Programms neues Wissen angeeignet.