Schöner Schein: Recycling liegt bei Schmuck wegen hohem Goldpreis im Trend
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Nachhaltiger Goldschmuck ist derzeit gefragt wie nie.
© Quelle: Denny Müller/Unsplash
Ökoschmuck – das klingt für manch einen immer noch nach Muschelketten und Wollfilzbroschen. Doch in Großstädten wie Hamburg oder Berlin ist er schon länger vor allem bei jungen Hochzeitspaaren gefragt, die sich Eheringe aussuchen – aus recyceltem oder zumindest unter fairen Bedingungen gefördertem Gold.
Immer mehr Labels setzen auf Nachhaltigkeit
Dass das Edelmetall alles andere als grün ist, ist längst kein Geheimnis mehr. Doch während der Nachhaltigkeitsgedanke in der Mode eine immer größere Rolle spielt, hielt sich die Schmuckbranche bislang mit Begriffen wie “Öko” vornehm zurück. Langsam ändert sich das jedoch. Gerade kleine Labels setzen auf Nachhaltigkeit. Unter den Großen der Zunft ist die Genfer Schmuck- und Uhrenmanufaktur Chopard Vorreiter.
Das Haus zählt zu den schillerndsten Global Playern der Branche und hat bereits 2013 damit begonnen, eine Bresche für nachhaltigen Schmuck zu schlagen. Chopard wirbt mit “ethischen Kreationen” aus sogenanntem Fairmined-Gold. Fairmined ist ein Gütesiegel. Das Edelmetall stammt aus zertifizierten Kleinbergbauminen, deren Arbeiter ein fixes Gehalt beziehen und wo auf sozial- und umweltverträgliche Förderpraktiken geachtet wird. Zudem recycelt das Schweizer Familienunternehmen eigenen Angaben zufolge bis zu 70 Prozent seiner bei der Herstellung von Uhren und Schmuck abfallenden Goldreste in der eigenen Gießerei. Vor zwei Jahren hat sich das Unternehmen unter Leitung der Geschwister Karl-Friedrich und Caroline Scheufele zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen bekannt. Stars wie Rihanna oder der Rapper Ice Cube zeigen sich seitdem gern auf dem roten Teppich mit grünem Gold von Chopard.
“Recycling ist nicht schick”
Noch aber gehen gerade große internationale Juweliere immer noch eher verhalten mit den Begriffen Nachhaltigkeit und Recycling um. Anders als in der Mode fürchtet man offenbar eine Abwertung – es passt nicht zum Luxusimage. So berichtet die Berliner Schmuckdesignerin Lilian von Trapp, die ihre Arbeiten ausschließlich aus recyceltem Gold fertigen lässt, dass ihr bei der Gründung ihrer Marke LVT vor gut drei Jahren “von mehreren Seiten geraten wurde, den Begriff Recycling wegzulassen. Zur Begründung hieß es, dass man damit ja nichts Schickes und Schönes verbinde”.
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Schmuckdesignerin Lilian von Trapp setzt auf Nachhaltigkeit.
© Quelle: Miriam Marlene
Minimalistische und wertvolle Stücke
Von Trapp ließ sich davon jedoch nicht beirren. Altgold wieder in die Wertschöpfungskette zurückzuführen, war schließlich der Kern ihrer Geschäftsidee. Angefangen hatte alles mit Erbstücken von ihrer Mutter, die schlichtweg zu schön und zu wertvoll für die Schublade waren, die die studierte Juristin von Trapp aber auch selbst so nicht tragen mochte.
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Junge Designer wie Vivian von Trapp verarbeiten “grünes Gold”.
© Quelle: Lilian von Trapp
So ließ sie das Gold einschmelzen und die Preziosen nach eigenen Ideen umarbeiten. Ihr Stil ist schlicht, minimalistisch, zeitlos. Bei Echtschmuck auf kurzlebige Moden zu setzen, hält sie für ebenso wenig nachhaltig wie die Verwendung von Gold aus illegalen Minen – und diese boomen, seit der Goldpreis, beflügelt auch von der Corona-Pandemie, beständig steigt. Ein Gramm Gold kostet derzeit rund 60 US-Dollar – der höchste Stand seit 2012.
Amazonas: Probleme mit illegalen Goldschürfern
Gold gilt als Krisenwährung. Risikoscheue Anleger investieren aus Angst vor einer Inflation. Vom Goldrausch erfasst sind jedoch auch illegale Goldschürfer: Die Umweltorganisation Greenpeace berichtete jüngst, dass die illegale Goldsuche im Amazonasgebiet seit Ausbruch der Pandemie wieder stark zugenommen habe. Eine Fläche in der Größe von 1841 Fußballfeldern sei in den ersten vier Monaten dieses Jahres in indigenen Gebieten und Nationalparks für die Goldsuche entwaldet worden, im Vergleich zu einer Fläche von 1218 Fußballfeldern im Vorjahreszeitraum.
Es gibt vermutlich keine andere Branche, die eine so hohe Recyclingquote erreicht.
Joachim Dünkelmann, Geschäftsführer des Bundesverbands der Juweliere
Die illegale Goldförderung zieht eine Spur der Verwüstung nach sich. Die Freilegung hinterlässt tonnenweise toxischen Schlamm. Einer Studie der britischen University of Leeds zufolge wachsen die Tropenwälder in stillgelegten Goldförder- und Bergbaugruben besonders schlecht nach. Doch nicht nur die Natur leidet. Gefährdet sind auch Tiere und Menschenleben. Die Indigenen im Amazonasgebiet erleben gewalttätige Auseinandersetzungen mit illegalen Goldsuchern.
Ana Khouri setzt auf verantwortungsvolle Goldgewinnung
Ana Khouri kennt eigenen Worten zufolge “aus erster Hand das Land, das so oft durch die gedankenlose Entwicklung verwüstet wird”. Die New Yorker Schmuckdesignerin stammt aus Brasilien. Sie tritt offensiv für eine verantwortungsvolle Goldgewinnung ein und verarbeitet ebenfalls ausschließlich Fairmined-Gold. Auch wenn sie bereits in Hollywood einen Namen und prominente Fans wie Sängerin Lady Gaga hat, sieht sich Khouri noch “als Teil einer Vorhut, die die Branche neu definiert”. Die Standards für faire Förderung müssten international noch weiter Verbreitung finden, fordert sie.
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Designerin Ana Khouri legt wert auf eine faire Goldgewinnung.
© Quelle: Ana Khouri
Deutsche Kunden gelten als besonder kritisch
In Deutschland, das aus Bankensicht zu den goldaffinsten Ländern der Welt zählt, sieht sich der Bundesverband der Juweliere (BVJ) indes auf einem guten Weg. Geschäftsführer Joachim Dünkelmann betont: “Gerade die deutsche Schmuckbranche hat ein sehr hohes Interesse daran, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und legt entsprechend hohe Maßstäbe an ihre Händler an.”
Die Kunden seien hierzulande besonders kritisch und hinterfragten Förder- und Fertigungsprozesse. Darauf hätten die Juweliere stets Antworten. Auch das Thema Recycling sei groß: “Niemand wirft Gold weg. Es gibt vermutlich keine andere Branche, die eine so hohe Recyclingquote erreicht”, glaubt Dünkelmann. Einzuschmelzen gibt es jetzt viel, denn seit der Corona-Krise wird der Handel laut BVJ förmlich überrannt von Menschen, die ihr Altgold in bare Münze umwandeln wollen.
Teurer Schmuck ist nicht immer fair entstanden
Zu Lilian von Trapp bringen die Kunden alten Schmuck, um etwas Neues daraus entstehen zu lassen. Nach von Trapps Ansicht müsste die Branche viel stärker das Thema Recycling und Nachhaltigkeit kommunizieren. Doch viele scheuten aus Imagegründen davor zurück: “Echtschmuck ist wertig und teuer. Die Kunden zahlen viel Geld. Und für einen hohen Preis will man etwas Gutes haben – und sich nicht bewusst machen müssen, dass an Gold oder Diamanten oft Blut klebt oder dass Kinderarbeit im Spiel war.”
Sie engagiert sich für ein Projekt der Organisation Earthbeat Foundation zur nachhaltigen Nutzung lokaler Ressourcen. In Busia in Uganda werden den Menschen lukrative Alternativen zur gefährlichen Arbeit in den illegalen Minen aufgezeigt. Viele Familien hätten Opfer zu beklagen, die bei der Goldsuche gestorben seien. “Die Menschen in Uganda bezeichnen Gold als böse und teuflisch, dennoch sind sie davon beherrscht, einmal im Leben ein Nugget zu finden”, sagt von Trapp.