Sparvertrag gekündigt: Was Bankkunden wissen müssen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/32PCVYEUBJM5HS5N2AVM2BDUMI.jpg)
Sparverträge mit einer Laufzeit von 25 Jahren und mehr - für viele Institute war das eine Möglichkeit, an Geld zu kommen. Die damals versprochenen Zinsen sind aus heutiger Sicht allerdings eine Last.
© Quelle: Mascha Brichta/dpa-tmn
Berlin. Hohe Zinsen bei Sparverträgen mit einer Dauer von 25 Jahren und mehr, dazu ein attraktiver Bonus, der mit zunehmender Anspardauer noch ansteigt. Mit solchen Angeboten lockten noch bis zum Jahr 2005 zahlreiche Geldinstitute Sparer in ganz Deutschland. Viele Kunden ließen sich auf diese Angebote ein. Doch inzwischen tun sich immer mehr Geldinstitute schwer damit, die Zusagen einzuhalten.
Der Grund: Durch die seit Jahren andauernde Minizins-Phase werden alte, gutverzinste Sparverträge für die Banken ein Verlust-Geschäft.
Dürfen Banken Sparverträge einfach so kündigen?
Bekannt sind bislang Fälle aus Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, in denen Sparkassen oder Volksbanken langfristige Sparverträge entweder einseitig kündigten oder die Zinsen niedriger ansetzten. Da stellt sich die Frage: Ist ein solches Vorgehen rechtens? Gilt nicht die Regel pacta sunt servanda (Verträge sind zu erfüllen)? „Ja, selbstverständlich“, sagt Stefan Marotzke vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) in Berlin. Allerdings müsse es Kreditinstituten möglich sein, auf veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen - sprich: negative Zinsentwicklung - „sachgerecht reagieren“ zu können. Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten könnten Geldinstitute auch auf die Option zurückgreifen, Sparverträge zu kündigen.
Urteile bestätigen: Negative Zinsentwicklung kann ausschlaggebend sein
Auch manche Gerichte sehen das so. Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg in Sachsen-Anhalt entschied etwa, dass ein Kreditinstitut aufgrund der negativen Zinsentwicklung ausnahmsweise die ordentliche Kündigung aussprechen darf, wenn sich die allgemeinwirtschaftliche Entwicklung erheblich negativ auf die Ertragslage des betreffenden Kreditinstituts auswirkt (Az: 5 U 139/17). Das OLG argumentierte sinngemäß, dass das Kreditinstitut nicht erst sein gesamtes Personal hinauswerfen muss, bevor es bestehende Bestandsverträge ändern darf.
Auch weitere Urteile (OLG Naumburg Az: 5 U 29/18 und OLG Dresden Az: 8 U 1161/18) bestätigten, dass den Kreditinstituten unter bestimmten Bedingungen ein Kündigungsrecht bei langfristigen Sparverträgen zusteht. Der Fall aus Sachsen-Anhalt liegt nun dem Bundesgerichtshof (BGH) zur Entscheidung vor (Az.: XI ZR 345/18).
Kündigen des Sparvertrags: Einseitige Kündigung kann gerechtfertigt sein
Letztlich hänge dies aber immer vom konkreten Einzelfall ab, betont Marotzke. Ähnlich äußert sich Cornelia Schulz vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). „Es kommt darauf an, was jeweils zwischen Kunde und Bank genau im Vertrag vereinbart wurde.“
Eine einseitige Kündigung von langfristigen Sparverträgen soll also gerechtfertigt sein? Der Magdeburger Kapitalmarktanwalt Stephan Heinze hat Zweifel. Sowohl unter dem Aspekt der Kundenpflege als auch aus juristischen Gründen stelle sich die massenhafte Kündigung von Sparverträgen nicht als der Königsweg dar, sagt Heinze. Er berät auch regelmäßig Kreditinstitute.
Aus seiner Sicht gibt es eine Alternative zum Kündigen: „Das Herunterschrauben des Einlagenzinssatzes ist ein Weg, auf eine Störung der Geschäftsgrundlage des im besseren Zinsumfeld vor Jahren geschlossenen Sparvertrags angemessen zu reagieren“, sagt er. Das gilt aus seiner Sicht auch dann, wenn eine Zinsgleitklausel nicht oder nicht wirksam vereinbart wurde.
Tipps für Bankkunden: Kündigung nicht einfach hinnehmen
Verbraucher, die von ihrer Bank eine Kündigung ihres langfristigen und gutverzinsten Sparvertrags bekommen haben, sollten dies nicht einfach hinnehmen. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg rät, genau hinzuschauen, auf welche Argumente die Bank ihre Kündigung stützt.
Unlängst hat die Verbraucherzentrale Brandenburg eine Sparkasse erfolgreich abgemahnt, die unbefristete Sparverträge mit der Begründung beenden wollte, diese seien ausgelaufen. Bereits 2015 hatte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg erfolgreich gegen die damalige Kündigungswelle einer Sparkasse geklagt. Auch mit dem Herunterschrauben der Zinsen von langfristigen Sparverträgen auf ein niedrigeres Zinsniveau können sich Geldinstitute nicht immer durchsetzen. Eine Volksbank in Thüringen wollte Anpassungen vornehmen, die Sparer unter dem Strich schlechter gestellt hätten. Das Geldinstitut begründete dies mit dem Hinweis auf „Wegfall der Geschäftsgrundlage“.
Sparvertrag von Experten prüfen lassen
Weil die betroffenen Kunden dies nicht hinnehmen wollten, hatten sie sich an die außergerichtliche Schlichtungsstelle des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken gewandt.
Mit Erfolg: Erste Schlichtungssprüche bekräftigten die Auffassung der Verbraucherzentrale Thüringen, dass die Volksbank auf Grundlage der von ihr angeführten Argumente weder berechtigt war, Verträge zu kündigen noch eine Zinsanpassung der Verträge verlangen durfte.
Laut Nauhauser verwenden zudem einige Geldinstitute für Sparverträge und Prämiensparverträge mit variablem oder flexiblem Zins ungültige Klauseln, um den jeweiligen Sparzins festzulegen. Vor allem Verträge aus den 1990er oder zu Beginn des neuen Jahrtausends seien betroffen. Kunden seien zu wenig Zinsen gutgeschrieben worden, erklärt er mit Blick auf ein BGH-Urteil (Az: XI ZR 140/03).
„Betroffene können hunderte, zum Teil auch tausende Euro nachfordern“, erklärt Nauhauser. Er rät Verbrauchern, die Berechnung der Bank zu überprüfen und sie gegebenenfalls aufzufordern, die Anpassung der Zinsen im Vertragsverlauf darzulegen.
Von RND / dpa