Trotz großer Widerstände: Massai-Rangerinnen schützen Wildtiere
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Blick auf den Kilimandscharo im Amboseli-Nationalpark in Kenia.
Kajiado. In der weiten Ebene am Fuße des Kilimandscharo schreibt eine Gruppe weiblicher Wildhüter Geschichte. Die Rangerinnen gehen gegen Wilderer vor, anstatt im Haushalt zu arbeiten. Damit trotzen sie jahrhundertealten patriarchalen Normen.
Die acht Frauen aus der Volksgruppe der Massai sind als “Team Löwin” bekannt. Sie gehören zu einer Gemeinschaft von 76 Rangern, die in einem 147.000 Hektar großen Gebiet um den kenianischen Amboseli-Nationalpark Leoparden, Elefanten, Giraffen und andere Wildtiere schützen.
Rangerinnen überwinden Widerstand
Sie hätten den Widerstand ihrer Gemeinde gegen Frauen überwunden, die außer Haus arbeiten, sagen Teammitglieder. Ihr Präzedenzfall trage hoffentlich zu einem Umdenken bei. "Zuerst dachte die Gemeinde, dass ich es nicht schaffen werde, weil ich schwach bin", erzählt die 24-jährige Purity Amleset während eines Patrouillengangs. "Unsere Aufgabe in der Gemeinde war es, Kinder zur Welt zu bringen und Hausarbeit zu machen."
Die Gemeinschaft habe versucht, die Frauen von der Ranger-Arbeit abzuhalten, weil diese bislang Männern vorbehalten gewesen sei. “Aber wir haben ihnen gesagt: ‘Nein, wir werden es tun, und wir werden es schaffen'”, sagt Amleset. Hinter der jungen Frau grasen Dutzende Elefanten in der Sumpflandschaft, in der Ferne ist der schneebedeckte Kilimandscharo zu sehen, der höchste Berg Afrikas. Die Tiere bewegen sich frei in dem Schutzgebiet außerhalb des Nationalparks, das den Massai gehört, sowie im Park selbst.
Masai halten noch an vielen Traditionen fest
Die für ihre auffallende Kleidung bekannte Volksgruppe ist im Norden Tansanias sowie im Zentrum und im Süden Kenias beheimatet. Zwar müssen ihre Kämpfer nicht mehr wie früher einen Löwen töten, um als Mann anerkannt zu werden, viele andere Traditionen haben aber immer noch Bestand. Trotz Jahrzehnten britischer Kolonisation in der Vergangenheit und einer zunehmenden Einbindung in moderne Volkswirtschaften halten die Massai an den Praktiken von Naturweidewirtschaft, Kinderheirat und weiblicher Genitalverstümmelung fest.
Amleset hatte nach eigenen Worten das Glück, dass ihre Eltern sie zur Schule schickten. "Die Mädchen aus meiner Gemeinde, die nicht in die Schule gehen durften, tun mir leid", sagt sie. "Sie wurden zur Heirat gezwungen, als sie noch zu jung waren. Im Alter von 13 oder 15 Jahren mussten sie Mütter werden, was nicht sein dürfte."
Viele glaubten, Frauen könnten keine Wildhüterinnen sein
Die Idee für eine rein weibliche Wildhüter-Gruppe habe vor etwa zwei Jahren einen Schub bekommen, erzählt der leitende Ranger der Ranch Olgulului-Ololarashi um den Nationalpark, Patrick Papatiti. Damals begann die Farm der Massai, mit dem Internationalen Tierschutz-Fonds (IFAW) zusammenzuarbeiten. Die Führer der Ranch reagierten zunächst etwas verhalten auf den Vorschlag, wie Papatiti sagt - "nicht, weil sie ihn nicht gut fanden, sondern weil sie dachten, dass die Gesellschaft ihn nicht akzeptieren würde".
Ein beträchtlicher Teil der Gemeinschaft habe gedacht, dass Frauen zu dieser Arbeit nicht in der Lage wären, sagt er. “Es gab auch Angst, dass dieses Projekt Frauen stärken könnte und im Fall eines Erfolgs sicher auch andere Vorstellungen der Gesellschaft auf den Prüfstand gestellt werden könnten.”
“Team Löwin” hat Erwartungen übertroffen
Trotz der anfänglichen Vorbehalte schickten nach einiger Überzeugungsarbeit schließlich alle acht Massai-Gruppen Vertreterinnen zu Bewerbungsgesprächen für die Jobs. "Einige von uns, die an sie glaubten, wussten mit der Zeit sehr genau, dass Frauen ihre Sache genauso gut machen können wie Männer", sagt Papatiti.
Das "Team Löwin" habe die Erwartungen übertroffen. Die Frauen-Einheit schneide bei der Erhebung von Daten am besten ab, weil alle Mitglieder über eine Schulbildung verfügten, erklärt der Chefranger. Bei der Sammlung schwerer zugänglicher Informationen profitierten sie davon, dass die Menschen ihnen vertrauten. "Sie haben uns nicht enttäuscht", betont Papatiti.
Corona-Krise setzt Wildtiere großer Gefahr aus
Allerdings hat die Coronavirus-Pandemie die Tourismusbranche in Kenia lahmgelegt, von der viele Massai rund um den Nationalpark leben. Der Wirtschaftszweig steht für fast zehn Prozent des kenianischen Bruttoinlandsprodukts. Im vergangenen Jahr besuchten 2,5 Millionen Urlauber das ostafrikanische Land.
Einige Massai, denen nun ihr Einkommen fehlt, begannen zu wildern, wie Papatiti sagt. Insgesamt 14 Giraffen wurden bislang in diesem Jahr getötet. Die Entwicklung stellt das "Team Löwin" und seine Ranger-Kollegen vor eine neue Herausforderung, die ihrer Arbeit normalerweise zu Fuß und unbewaffnet nachgehen und sich auf bewaffnete staatliche Parkranger als Backup verlassen.
Nun sitzen die Wildhüterinnen seit Monaten in ihrem Camp fest, seit der erste Corona-Fall in Kenia gemeldet wurde. Die Wildtiere sind den Gefahren damit noch schutzloser ausgesetzt.
RND/AP