Trotz „Test“-Kritik: Warum „Fortnite“ zocken völlig in Ordnung sein kann

Warum sind die Heldinnen in „Fortnite“ oft so knapp bekleidet? Videospiele müssen nicht immer nur schlecht sein, sondern können auch spannende Gespräche mit dem Nachwuchs anstoßen.

Warum sind die Heldinnen in „Fortnite“ oft so knapp bekleidet? Videospiele müssen nicht immer nur schlecht sein, sondern können auch spannende Gespräche mit dem Nachwuchs anstoßen.

Hannover. Nun auch noch das: Gerade erst war die Altersgrenze für das Megagame „Fortnite Battle Royale“ von Jugendschutzexperten auf zarte zwölf Jahre festgelegt und damit zumindest einem Teil der besorgten Elternschaft ein wenig Sorge genommen worden, da meldet sich die gute alte Stiftung Warentest mit einem vernichtenden Urteil zu Wort: Als „inakzeptabel“ und mitunter „verstörend“ stuft sie das bei Jugendlichen seit nunmehr zwei Jahren populäre Videospiel ein. Eingeschlossen in das Urteil sind auch ein paar weitere beliebte Games. Und wieder geht ein kollektives Zucken durch die ohnehin verunsicherte Elternschaft. Diese ist zu einem Großteil doch recht befremdet von der Euphorie, die der Nachwuchs für eben jenes „inakzeptable“ Spiel aufbringt. Immerhin geht es darum, von insgesamt 100 Spielern am Ende der einzig Überlebende zu sein und damit den „epischen Sieg“ einzufahren, mit dem man sich heute so schön auf dem Schulhof und in Social Media brüsten kann.

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Warum sich nicht einfach mal mitfreuen?

Der „Epische“ – für die Kids von heute muss er so etwas wie das alles entscheidende Tor sein, mit dem man einst den Lokalrivalen in der heimischen Fußballliga auf die Plätze verwies. Während sich manche Sportvereine mangels Nachwuchs nur knapp über Wasser halten, werden auf internationalen E-Sport-Events Millionengewinne eingefahren. Beobachtet man den Nachwuchs, muss der „Epische“, der heute auf der heimischen Couch statt auf dem Fußballplatz gefeiert wird, ein absolutes Hochgefühl haben.

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Und beinahe war man da als Elternteil – trotz aller Vorbehalte – schon geneigt, sich sogar ein wenig mitzufreuen und Applaus zu spenden. Immerhin hatte bereits im vergangenen Jahr schon der populäre „Fortnite“-Tanz Floss, besser bekannt als Zahnseide, dem ein oder anderen ein Lächeln auf das Gesicht gezaubert. So niedlich sah es aus, wenn sich der Nachwuchs an dem koordinativ doch recht anspruchsvollen Tänzchen versuchte.

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Wenig überraschende, aber berechtigte Kritik

Und jetzt wieder dieser Aufschrei – und das kurz nachdem die Jugendschutzexperten der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) zu folgendem Urteil kamen: Obwohl es in „Fortnite“ unter anderem darum gehe, Gegner durch Waffeneinsatz auszuschalten, sei das Spielgeschehen auch für Zwölfjährige als Fiktion zu verstehen. Als Begründung hatte die USK unter anderem den comichaften Grafikstil, Verfremdungselemente und eine „zurückhaltende Treffervisualisierung ohne die Darstellung von Verletzungen“ genannt. Ebenso gebe es keinen Einsatz schockierender Elemente.

Die Warentester halten dagegen und schrecken auf. Tatsächlich aber mit Kritik, die bei genauerem Hinschauen zumindest größtenteils wenig überrascht. Von mangelnder Transparenz bei In-App-Käufen ist unter anderem die Rede, und obendrein werde der Datenschutz vernachlässigt. So weit, so vertraut die beschriebenen Probleme. Denn wer sich als Eltern einmal bewusst dafür entscheidet, seine Kinder im Internet surfen zu lassen, der muss sich zwangsläufig intensiv mit diesen Themen beschäftigen, mit Sicherheitseinstellungen und Bezahlschranken. Und natürlich auch mit den weiterhin kritisierten „verstörenden Inhalten“, die die Tester in eben jenen Games ausgemacht haben und die zur Realität der gesamten virtuellen Welt gehören. Von sexuellen, gewalttätigen oder extremistischen Inhalten ist die Rede, die – zu Recht! – bemängelt werden.

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Für ein gründliches Verständnis braucht es Zeit

Allerdings ist es nur allzu einfach, da allein die Spieleentwickler in die Pflicht zu nehmen. Viel mehr sind auch hier die Eltern gefordert, so klingt es auch bei den Warentestern an. Was es tatsächlich braucht, ist ein ehrliches, offenes und vor allem vorurteilsfreies Interesse an der Lebenswelt der eigenen Kinder, die so gar nichts mehr mit der der eigenen Kindheit gemein hat. Das fällt mitunter schwer, und ja, es ist auch ziemlich unbequem. Denn wer einen echten Eindruck bekommen möchte, der muss sich Zeit nehmen – und die ist oftmals knapp. Laut einer aktuellen Umfrage des Spielzeugherstellers Lego spielt ein Drittel aller Eltern in Deutschland weniger als fünf Stunden pro Woche mit ihren Kindern.

Spielen? Das kann heute auch gemeinsames Zocken sein. Was meinen Sohn anbelangt, er bat mich immer wieder darum: „Mama, setz dich doch mal dazu und mach mit!“ Tatsächlich habe ich lange gezögert – ob aller Vorbehalte gegen diese vereinnahmende digitale Spielewelt, in die er oftmals so tief abtaucht.

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Vorurteile mal Vorurteile sein lassen

Schließlich habe ich mir aber doch einen Ruck gegeben, mich dazugesetzt und meinem Sohn in aller Ruhe beim Zocken zugeschaut: Wir sind ins Gespräch gekommen. Erstmals seit langer Zeit haben wir uns nicht über Daddelzeiten und die Sinnhaftigkeit von Ballerspielen gestritten. Nein, spannende Gespräche waren das, über Frauenbilder beispielsweise – Frauen sind für meinen Geschmack bei „Fortnite“ oft viel zu knapp bekleidet – und darüber, warum es völlig okay ist, manchmal auch „komplett lost“, also auf der Verliererstraße, zu sein.

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Warum man bei „Fortnite“ mit einem Pfannenwender in den Kampf zieht und für dieses Accessoire auch noch mit Begeisterung sein Taschengeld ausgibt, hat sich mir zwar immer noch nicht so recht erschlossen. Doch das gemeinsame Beschäftigen mit dem Spiel und die Gespräche mit meinem Sohn darüber haben mir trotzdem den Schrecken genommen. Ganz unabhängig von allen Expertenmeinungen. Denn letztlich ist es doch bei den Eltern, zu entscheiden, wo eine persönliche Schmerzgrenze erreicht ist und das Daddeln für die eigenen Kids mehr Gefahr denn heutiges Verständnis von Spielen ist. Zuschauen lohnt sich!

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