Umgangsformen: Warum Humor uns auch in Zeiten von Corona weiterbringt

Auch wenn es schwer fällt, Humor hilft in der Krise.

Auch wenn es schwer fällt, Humor hilft in der Krise.

Spaziergänger, die sich gegenseitig beschimpfen, weil einer von beiden den empfohlenen Mindestabstand nicht einhält, Auseinandersetzungen im Supermarkt um die letzte Packung Toilettenpapier oder Nachbarn, die ihre Mitbewohner maßregeln, weil sie trotz des Kontaktverbots Besuch von Freunden bekommen: Die Corona-Krise bestimmt längst auch das soziale Miteinander im Alltag. Dabei ist Streit selten eine Lösung, die weiterbringt, erklärt der Experte Alexander von Schönburg. Im Gegenteil: Achtsamkeit ist das Gebot der Stunde.

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Herr von Schönburg, Sie tadeln in Ihrem vor zwei Jahren erschienenen Buch “Die Kunst des lässigen Anstands” das Sich-gehen-Lassen und mahnen Achtsamkeit für andere an. Ist das dieser Tage nicht ungleich anstrengender als noch vor Corona?

Alexander von Schönburg: Jede Extremsituation führt dazu, dass es die eigenen Neigungen verstärkt. Der Faule versackt jetzt, der Workaholic führt im Homeoffice selbst auferlegt den 24-Stunden-Tag ein. Beim Thema Achtsamkeit geht es mir darum, auch seine negativen Seiten im Blick zu haben. Schlechte Neigungen oder auch Pflichten, die man vor sich herschiebt, und Ängste sind wie Monster unter dem Bett. Wenn man hinsieht, ist die Bedrohlichkeit dahin. Wer sieht, dass er an dieser oder jener Stelle ungesundes Verhalten an den Tag legt, hat durch diese Einsicht bereits 90 Prozent des Weges absolviert.

Experte in Stilfragen: Alexander Graf von Schönburg-Glauchau.

Experte in Stilfragen: Alexander Graf von Schönburg-Glauchau.

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Extremsituationen zeigen unseren wahren Charakter

In Sachen Umgangston erlebt man vor allem in Supermärkten gerade oft unterirdische Szenen. Haben Sie selbst auch Negatives beobachtet?

Alexander von Schönburg: Extremsituationen lassen uns mehr zu dem werden, der wir unseren Anlagen nach sind. Der Hilfsbereite opfert sich jetzt auf, der Rücksichtslose fährt jetzt noch mehr die Ellenbogen aus. Aber wir haben alle soziale und asoziale Anlagen. Jeder sollte seine guten Anlagen bewusst kultivieren – ohne sich dabei zu heilig vorzukommen.

Sie haben zwar in der Vergangenheit immer wieder betont, zum verarmten Adel zu gehören. Wirtschaftliche Not müssen Sie dennoch nicht leiden. Ist es aus solch einer Position heraus nicht viel einfacher, eben nicht ständig zuerst an sich zu denken?

Alexander von Schönburg: Klar prägt einen die Herkunft. Ich habe mich in den letzten Tagen oft gefragt, warum mich die gegenwärtige Krise so wenig erschüttert. Ich glaube, es hat damit zu tun, dass ich aus einer Familie komme, in der heftige Zäsuren die Normalität, nicht die Ausnahme sind. Meiner Familie gehörten vor Hunderten Jahren mal die größten Silberbergwerke des Erzgebirges, später, als die industrielle Revolution einsetzte, waren plötzlich die Textilbarone in unserer Nachbarschaft reich und bei uns regnete es rein, weil das Schlossdach undicht war. 1945 flüchtete mein Vater mit seiner Mutter und sieben jüngeren Geschwistern aus der sowjetischen Besatzungszone. Unsere gesamte Existenz, alles, was uns ausmachte, war futsch. Die Lektion, dass es im Leben keine Garantie dafür gibt, dass alles so weitergeht wie bisher, ist tief im Bewusstsein meiner Familie verankert. Der moderne Mensch versucht, sich durch Versicherungspolicen vor den Unwägbarkeiten des Lebens abzuschirmen, und merkt jetzt, dass die Prämissen des Lebens auf wankendem Boden stehen.

Wirtschaftliche Not legt die Nerven blank

Gerade im Angesicht drohender wirtschaftlicher Not liegen bei vielen derzeit die Nerven blank. Wie wichtig ist ein höflicher Umgangston auch innerhalb der Familie?

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Alexander von Schönburg: Das unmittelbare Umfeld ist das, was zählt und was uns ausmacht. Nicht die eine große Geste, das glanzvolle, karitative Engagement nach außen ist wichtig, sondern vielmehr die Art und Weise, wie du täglich deinem Partner begegnest, was du zu deinen Kindern sagst, wie du mit ihnen umgehst.

Streiten kann auch eine Chance für ein besseres Miteinander sein, sagen Psychologen. Gibt es höfliches Streiten?

Alexander von Schönburg: Ich persönlich liebe ein zünftiges Streitgespräch, solange man dabei nicht verletzend wird und bei der Sache bleibt. Wenn man länger mit mehreren Menschen auf engem Raum zusammenlebt, ist es aber vielleicht kein empfehlenswerter Zeitvertreib.

Positive Erlebnisse lehren uns Veränderung

Sich zusammenzureißen ist wohl das Gebot der Stunde. Das klingt nach einem Kraftakt, sowohl in körperlicher als auch seelischer Hinsicht. Wie meistert man das, wenn es einem selbst vielleicht nicht so gut geht?

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Alexander von Schönburg: Ohne sich selbst in den Allerwertesten zu treten, ist das Leben fad. Eine Jause schmeckt nun einmal besser, wenn man vorher einen Berg bestiegen hat.

Was ist die Belohnung von Anstrengung?

Alexander von Schönburg: Wenn man etwas tut, das ungewohnt oder anstrengend ist, aber ein positives Resultat hervorbringt, gewinnt man dadurch die ermutigende Einsicht: “Schau, es geht, ich kann es!” Das speichert das Gehirn ab. Wenn diese Schneise durch die erste Überwindung geschlagen ist, ist der gleiche Weg beim zweiten Mal schon einfacher.

Humor ist unverzichtbar – gerade jetzt

Eine der Tugenden, die Sie hochhalten, ist Humor. Wie wichtig ist er momentan?

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Alexander von Schönburg: Je ernster die Lage ist, desto wichtiger ist Humor. Humor ist eine Art Selbstmedikation des Gehirns, weil er uns lehrt, mit scheinbarer Sinnlosigkeit, mit dem Unlogischen und Unplanbaren umzugehen. Humor sorgt dafür, dass wir darüber lachen, wenn wir auf dem Hintern landen. Der Slapstick mit dem Mann, der auf der Banane ausrutscht, ist ein archetypischer Witz, der uns viel lehren kann.


Wann ist Humor aus Ihrer Sicht eher nicht angebracht?

Alexander von Schönburg: Humor ist immer angebracht. Auch über einem Grab kann man, um die Tränen zu trocknen, einen Witz erzählen. Nur Ironie ist, wenn es ernst wird, fehl am Platz. In Zeiten wie diesen ist sie dazu geeignet, unsere Moral zu schwächen.

Lehrt Corona uns Bescheidenheit?

Auch Bescheidenheit ist etwas, das Ihnen wichtig ist. Glauben Sie, dass die Corona-Krise zu mehr Bescheidenheit in der Gesellschaft beiträgt?

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Alexander von Schönburg: Die Kernbotschaft meines jüngsten Buchs “Der grüne Hedonist” ist, dass ein weniger konsumorientiertes Leben der Lebensqualität förderlich ist. Man lebt viel genussvoller, wenn man nicht alles sinnlos verbraucht und verschmutzt. Und ja, es gibt ein Leben ohne Flüge auf die Seychellen, das lebenswert ist. Wir müssen unsere Konsummuster überdenken. Wann, wenn nicht jetzt?

Interview: Kerstin Hergt/RND

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