Vorhersagen kaum möglich: Vulkankette auf La Palma beruhigt sich nicht

Seit September bricht die Cumbre Vieja auf La Palma immer wieder aus.

Seit September bricht die Cumbre Vieja auf La Palma immer wieder aus.

Leuchtende Fontänen schießen aus dem Krater, glühende Lavaströme wälzen sich die Hänge hinab zum Meer, der Nachthimmel strahlt rot. Seit fast 80 Tagen spuckt die Cumbre Vieja auf La Palma Gestein, Gas und Asche aus. Schon jetzt ist es der größte Ausbruch seit Beginn der Aufzeichnungen vor mehr als 500 Jahren auf der bei Touristen beliebten Kanareninsel. Derzeit lockt La Palma aber eher Vulkanologen und andere Forscher aus vielen Ländern an. Sie untersuchen, was sich über, aber vor allem unter der Erdoberfläche abspielt.

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„La Palma gehört jetzt zu den bestüberwachten Vulkanregionen weltweit“, sagt Thomas Walter vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ), der die Insel seit September schon mehrfach besucht hat. „Aber es gibt noch sehr viele offene Fragen.“ Dazu gehört vor allem die Vorhersage der Aktivität – kurzfristig wie langfristig. Denn ein Ende ist bislang nicht in Sicht. Im Gegenteil: Am 30. November erreichte die Zahl der Erdbeben dort mit 371 binnen 24 Stunden ihren bisherigen Höhepunkt.

Lava schafft 50 Hektar große Landzunge

Solche Erdstöße entstehen, wenn Gestein in der Tiefe unter dem Druck des aufsteigenden Magmas und der darin enthaltenen Gase zerbricht, wie Thor Hansteen vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel erläutert. Mitte September durchbrach das Magma erstmals die Erdoberfläche, inzwischen klaffen in dem Areal ein halbes Dutzend neue Krater.

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Seit Beginn des Ausbruchs mussten sich 7000 Bewohner in Sicherheit bringen. Bis Anfang Dezember zerstörte die Lava in der südwestlichen Inselhälfte fast 2800 Gebäude und weit über 70 Kilometer Straße. Mehr als 1150 Hektar sind von einer meterdicken Lavaschicht bedeckt – eine Fläche von rund 1600 Fußballfeldern. Und vor der Westküste schuf die Lava eine fast 50 Hektar große neue Landzunge.

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La Palma ist besonders vulkanisch aktiv

„In der Vergangenheit waren die Ausbrüche auf La Palma meist nach etwa zwei bis vier Wochen vorbei“, sagt Walter. „Mittlerweile gehen wir davon aus, dass es diesmal selbst nach zwei Monaten noch deutlich länger dauern kann.“

Alle Kanarischen Inseln außer La Gomera sind vulkanisch aktiv, aber keine so sehr wie La Palma. Für Hans-Ulrich Schmincke, den langjährigen Direktor der Abteilung Vulkanologie und Petrologie am damaligen Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-Geomar) in Kiel, ist die Aktivität daher keine Überraschung. Die meisten ozeanischen Inseln basierten auf Vulkanen, die vom Meeresgrund aus gewachsen seien. Insofern bildet auch La Palma nur die Spitze eines gewaltigen Massivs, das aus dem Tausende Meter tiefen Atlantik aufragt.

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„Ruta de los Volcanes“ bei Touristen beliebt

Vom jüngeren Vulkanismus zeugt gerade die Cumbre Vieja: Die bis knapp 2000 Meter hohe Vulkankette zieht sich über eine Länge von mehr als zehn Kilometern über die südliche Hälfte der Insel entlang des Gipfelkamms bis zum Südzipfel. Darüber verläuft die bei Wanderern beliebte Ruta de los Volcanes – Vulkanroute –, die an Dutzenden Kratern vorbeiführt und Panoramablicke auf die Nachbarinseln Teneriffa, La Gomera und El Hierro bietet.

Generell, so Walter vom GFZ, zeigten die Kanarischen Inseln die ganze Bandbreite des Möglichen, was die Intensität angeht: So war etwa 1909 der letzte Ausbruch auf Teneriffa am Chinyero, einem Schlackenkegel am Pico del Teide, nach wenigen Tagen vorbei. Dagegen verwüstete ein anderer Ausbruch vor etwa 180.000 Jahren die gesamte Insel, die fast dreimal so groß ist wie La Palma.

Ausbruch kann sich schnell verändern

Die derzeitigen Eruptionen an der Cumbre Vieja bestehen aus zwei Typen: Recht regelmäßig sind die geysirartigen sogenannten Strombolianischen Eruptionen: Dabei platzen alle paar Minuten im Magma aufsteigende Gasblasen. Auf einen dumpfen Knall spuckt der Berg Lavafontänen aus.

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Kaum vorhersehbar sind dagegen plötzliche Veränderungen hin zu Explosionen, bei denen mächtige Aschewolken über der Insel kilometerweit in die Höhe steigen. „Der Ausbruch kann derzeit innerhalb weniger Stunden sein Gesicht völlig verändern“, sagt Walter. „Was diesen Übergang bewirkt, wissen wir noch nicht.“

Kaum Vorhersagen bei Cumbre Vieja möglich

Rätselhaft sei auch die Bildung neuer Krater: Seit September haben sich die Eruptionsorte um Hunderte Meter verlagert. Bis Anfang Dezember waren im Gipfelbereich des neuen, zuletzt 1124 Meter hohen Vulkankegels mindestens sieben Krater entstanden, die wie halbmondförmige Sicheln aussehen und sich teils überlappen.

Im Fachblatt „Science“ beschreibt der Vulkanologe Marc-Antoine Longpré von der City University in New York, wie sich der Ausbruch anbahnte. Auch er betont, wie schwer sich die Aktivität der Cumbre Vieja vorhersagen lasse. Bei ständig aktiven Vulkanen wie dem Ätna auf Sizilien oder dem Kilauea in Hawaii könne man spezielle Muster ausmachen, die eine bevorstehende Eruption ankündigen. Bei der Cumbre Vieja mit ihren langen Ruhephasen sei das unmöglich.

Ausbruch kündigte sich eine Woche vorher an

Seit dem Jahr 1500 gab es demnach sechs Ausbrüche, dazwischen lagen Pausen von einer Dauer zwischen 24 und 237 Jahren. Zuletzt war 1971 der Teneguía am Südzipfel der Insel ausgebrochen. Die derzeitige Aktivität bahnte sich offenbar über mehrere Jahre an. Nach einer langen Ruhephase bebte die Erde unter La Palma gehäuft ab Oktober 2017: Damals wurden binnen acht Tagen 128 Erdstöße verzeichnet, weitere 84 folgten wenige Monate später.

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„Rückblickend markieren diese einzelnen Erdbebenschwärme in 15 bis 30 Kilometern Tiefe wahrscheinlich das früheste Anzeichen vulkanischer Unruhe“, schreibt Longpré. Der eigentliche Ausbruch kündigte sich dann mit etwa einer Woche Vorlauf an. „Ab dem 11. September 2021 veränderten sich die Muster der Unruhe erheblich“, schreibt er. „Die Zahl der registrierten Erdstöße steigerte sich auf mehrere Hundert pro Tag. Sie konzentrierten sich auf geringere Tiefen und waren von größerer durchschnittlicher Stärke als vorher.“ Zudem begann sich die Oberfläche zu verformen, wohl durch die aufsteigenden Magmaströme.

Keine Magmakammer unter der Cumbre Vieja

Wenige Tage später brach der Vulkan am Nachmittag des 19. September in etwa 1000 Metern Höhe aus – zunächst durch zwei jeweils 200 Meter breite Spalten. „Das Magma nimmt den Weg des geringsten Widerstands und bricht dann an einer Schwachstelle durch“, sagt Hansteed.

Doch was genau unter der Erde passiert, ist weitgehend unklar. Eine Magmakammer in wenigen Kilometern Tiefe scheint es unter der Cumbre Vieja – im Gegensatz zu vielen anderen Vulkanen – nicht zu geben. Vom spanischen Nationalen Geografischen Institut (IGN) veröffentlichte Daten deuteten Anfang Dezember darauf hin, dass die meisten Erdstöße sich in zwei Bereichen konzentrieren: in deutlich über 30 Kilometern Tiefe, also noch im Erdmantel, und in etwa zwölf Kilometern Tiefe. Offenbar sammelten sich gerade dort große Mengen aufsteigender Magma an. „Das System wird periodisch nachgefüttert“, sagt Hansteen. Am Wochenende verlagerten sich die Erdstöße in die Zone in zehn bis 15 Kilometern Tiefe.

Forscher reisen nach La Palma

Der Verlauf von Kanälen – senkrechten Schloten oder horizontalen Brüchen im Gestein – ist derzeit völlig unklar. „Die Störungen in den beiden Arealen unter La Palma laufen anscheinend kreuz und quer durcheinander“, sagt Walter. „Und in den noch flacheren Zonen sehen wir quasi keine Beben. Bis in acht Kilometer Tiefe ist Funkstille. Das ist bei dieser Eruptionstätigkeit sehr schwer zu erklären.“

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Um mehr Einblick zu erlangen, reiste ein Team um Walter Anfang Dezember erneut nach La Palma – mit viel Ausrüstung im Gepäck: Seismometer sollen kleinste Erschütterungen registrieren und dazu beitragen, ein möglichst genaues Modell der unterirdischen Aktivitäten zu erstellen. Satellitenbilder und bodengestützte GPS-Stationen erfassen kleine vertikale und horizontale Veränderungen der Erdoberfläche, und sogenannte Tiltmeter erkennen winzigste Neigungsveränderungen.

Eruptionen könnten sich verlagern

Aus den Verformungen – etwa dem Winkel von Hebungen – lassen sich Rückschlüsse etwa zur Tiefe der ursächlichen Veränderungen ableiten. Und zu der Schlüsselfrage, auf welchem Weg das Magma aus dem Erdinneren zu den Kratern aufsteigt. Das könnte Aufschluss geben, wann und wo sich neue Austrittsspalten öffnen könnten. Und das wiederum hätte Einfluss auf den Verlauf weiterer Lavaströme.

„Ich wäre nicht überrascht, wenn sich die Eruptionen wieder verlagern würden“, sagt Walter. Erst Anfang Dezember war ein aus einer neuen Spalte austretender Lavastrom an den bis dahin verschonten Ort La Laguna bis auf 800 Meter herangeflossen.

Experte: Ausbruch wird irgendwann enden

Eine weitere Sorge der Experten: Ein neuer Krater könnte sich oben auf dem Hauptkamm der Cumbre Vieja oder östlich davon öffnen. Dann würden Lavaströme nicht wie bisher nach Westen fließen, sondern auch die Ostseite der Insel hinab. Würden sie das Meer erreichen, wäre der Süden La Palmas vom Rest der Insel auf dem Landweg völlig abgeschnitten – wie bei dem Ausbruch von 1949.

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„Wir sind mit unseren Prognosen sehr vorsichtig geworden“, sagt GFZ-Experte Walter. „Man darf auf La Palma nichts ausschließen.“ Doch irgendwann wird auch dieser Ausbruch enden. Und dann wird der neu entstandene, bislang unbenannte Schlackenkegel einen eigenen Namen bekommen.

RND/dpa

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