Waldbrände gefährden CO₂-Ziele

Experte zum Waldsterben: „Wir laufen einer Welle hinterher, die immer höher wird“

Zu wenig Niederschlag und hohe Temperaturen setzen den Wäldern in Deutschland schwer zu.

Zu wenig Niederschlag und hohe Temperaturen setzen den Wäldern in Deutschland schwer zu.

Dürre und Hitze setzen den Bäumen weltweit zu: Ob nun im Amazonas, in Russland – oder auch in Deutschland. Der Ökologe Hans Jürgen Böhmer forscht zum Waldsterben und sagt: Auch unsere Landschaften in Deutschland werden im Zuge des Klimawandels zunehmend trockener, heißer und windiger. Im RND-Gespräch warnt der Waldexperte vor möglichen Folgen, die uns Menschen auch im Alltag betreffen.

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Herr Böhmer, in Ihrem Buch „Beim nächsten Wald wird alles anders“ erzählen Sie, wie man in Deutschland in den letzten Jahrzehnten erst langsam begriffen hat, wie das Waldsterben mit dem Klimawandel zusammenhängt. Wie würden Sie die aktuelle Situation beschreiben?

Über das Waldsterben reden wir in Deutschland schon seit den Achtzigerjahren. Erste wissenschaftliche Hinweise darauf, dass das mit starker Trockenheit zusammenhängt, gab es schon damals. Was wir aber jetzt erleben, hat eine neue Qualität. 2018 gab es in weiten Teilen Mitteleuropas einen extrem trockenen Sommer, es folgte ein nur halbwegs feuchter Winter, dann folgte wieder ein sehr trockenes Jahr. Unsere Aufzeichnungen zeigen, dass es so eine langanhaltende Dürre bei uns in dieser Form noch nicht gegeben hat. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nennen das ein zusammengesetztes Ereignis.

Was folgt daraus für die Wälder?

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Wir haben eine große landschaftliche Vielfalt in Deutschland, deshalb kann man das nicht pauschal beantworten. Es gibt Arten, die bei Trockenheit massive Probleme bekommen und recht schnell absterben können. Fichten im Mittelgebirge zum Beispiel. Ihre Wurzeln gehen nicht tief in die Erde, sie wachsen auf flachgründigen, steinigen Böden und an Hängen, wo sich kaum Wasser sammeln kann. Die meisten unserer Waldbäume halten trockene Phasen aber eigentlich aus. Sie behelfen sich in Dürreperioden damit, dass sie das Wasser mithilfe ihrer Wurzeln aus mehreren Metern Tiefe holen. So überlebten die meisten Laubbäume, wenn es mal trockener war. Aber dieser Mechanismus steht jetzt auf der Kippe.

Wieso?

Die für Bäume so wichtigen Wasserreserven in der Tiefe können nicht wieder aufgefüllt werden, wenn es, wie in den letzten vier Jahren, längere Zeit am Stück trocken bleibt. Auch wenn die oberen ein, zwei Meter des Bodens durch Regen oder Schmelzwasser ab und an durchfeuchtet werden: In der Tiefe herrscht immer noch Dürre.

Das heißt, der für Wälder so wichtige Wasserspeicher ist in vielen Regionen immer noch leer?

Genau, das gilt für viele Landschaften in Deutschland noch immer. Auch 2020 hat es nicht übermäßig viel geregnet. 2021 war niederschlagsmäßig zwar ein Durchschnittsjahr, aber das reicht nicht, um die Menge des Grundwassers von vor 2018 wieder zu erreichen. Früher waren die Niederschläge auch besser verteilt. Wenn es heute regnet, kommt oft so viel Wasser auf einmal an einer bestimmten Stelle herunter, dass der Boden das gar nicht mehr aufnehmen kann. Die Flutwasserkatastrophe im Ahrtal und anderen Landschaften sind dafür ein gutes Beispiel. Und das ist erst ein leichtes Anklopfen am deutschen Bewusstsein. Solche Ereignisse betreffen uns in Zukunft voraussichtlich stärker.

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Ich habe manchmal das Gefühl, man hat in Deutschland wenig Ahnung davon, wie sehr sich die Welt verändert hat.

Waldsterben trifft auch die Landwirtschaft

Wie würde uns das im Alltag betreffen, wenn plötzlich eine große Zahl an Wäldern zugrunde ginge?

Jeder Baum ist eine Art kleiner Kühlschrank. In Städten ist beispielsweise messbar, dass Bäume die sommerliche Hitze rund zwei bis drei Grad herunterkühlen können. Und ein Wald ist ein großer Kühlschrank. Würden sie wegen Wassermangel ihre Struktur verändern, niedriger wachsen, auflockern und langsam verschwinden, würde es in unseren Landschaften trockener, heißer und windiger. Die sommerliche Hitze würde stärker spürbar. Wälder sind auch natürliche Schwämme. Halten sie das Wasser nicht zurück, stünde zum Beispiel zu wenig für die Landwirtschaft zur Verfügung – und damit unsere Lebensmittelproduktion. Das ist aber ein schleichender Prozess, es sterben nicht plötzlich in wenigen Wochen alle Bäume ab. Das wäre ein Horrorszenario.

Finden Sie, dass die Gefahren durch Dürre und Extremwetterereignisse in Deutschland ernst genug genommen werden?

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Ich habe manchmal das Gefühl, man hat in Deutschland wenig Ahnung davon, wie sehr sich die Welt verändert hat. Wir fühlen uns noch vergleichsweise sicher und unantastbar. Dabei wohnen wir in einem – global betrachtet – kleinen Land, vor dem der Klimawandel nicht Halt machen wird. Nur weil es hier gerade noch nicht zu gigantischen Waldbränden kommt, beeinflusst uns das, was schon jetzt im Ausland passiert, doch immer stärker.

Hans Jürgen Böhmer studierte Geografie, Biologie und Geologie in Bamberg und Erlangen. Er habilitierte über die Langzeitdynamik der Regenwälder auf Hawaii. Seit 2014 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Biogeografie an der University of the South Pacific und beriet 2015 die Pazifikstaaten für das Pariser Klimaabkommen.

Hans Jürgen Böhmer studierte Geografie, Biologie und Geologie in Bamberg und Erlangen. Er habilitierte über die Langzeitdynamik der Regenwälder auf Hawaii. Seit 2014 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Biogeografie an der University of the South Pacific und beriet 2015 die Pazifikstaaten für das Pariser Klimaabkommen.

Haben Sie ein Beispiel?

Inzwischen ist es schon so warm, dass selbst die Wälder im Norden Russlands immer trockener werden und immer häufiger brennen. Allein dort sind im vergangenen Jahr rund neun Millionen Hektar Wald abgebrannt. Das Problem dabei ist: Beim Verbrennen wird sehr viel CO₂ in die Atmosphäre freigesetzt, die Bäume speichern den Kohlenstoff ja eigentlich ab. Die Brände sind dann ein den Klimawandel noch beschleunigender Effekt. Wenn immer mehr Wälder abbrennen, können wir den freigesetzten Kohlenstoff immer schwerer mit unserem angepassten Verhalten kompensieren. Da bringt es nur noch wenig, mit Ökostrom betriebenen Autos durch die Landschaft zu fahren.

Mehr Abwechslung im Wald statt Monokulturen

Wie könnten Wälder besser auf Hitze und Trockenheit vorbereitet werden?

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Man wird dazu übergehen müssen, auf Monokulturen zu verzichten und wieder mehr Natur in die Wirtschaftswälder zu bringen, was ja vielerorts schon gemacht wird. Also nicht mehr großflächig Fichten und Kiefernwälder anpflanzen, sondern auf Mischwälder setzen, in denen auch Laubbäume vorkommen. Sie lockern die Struktur der Wirtschaftswälder auf. Mit einem größeren Strukturreichtum sind die Wälder besser in der Lage, mit dem verfügbaren Wasser zu haushalten. Dann werden nicht alle Ressourcen von gleich alten Bäumen gleichzeitig in den gleichen Mengen beansprucht.

Schon einmal vorsorglich Palmen und Kakteen anpflanzen, wäre das ein Ansatz?

Jetzt einfach schon einmal exotische Bäume aus dem Mittelmeerraum bei uns anpflanzen, die besser mit Dürre und Hitze umgehen können, halte ich für gewagt und wenig zielführend. Was ist, wenn dann plötzlich starker Frost einsetzt? Sie könnten direkt wieder absterben.

Hilft es den Wäldern, wenn ich als Privatperson etwas anders mache?

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Der Klimawandel ist eine Tatsache. Alle Daten, die wir kennen, lassen keine andere Schlussfolgerung zu. Wir laufen einer Welle hinterher, die immer höher wird. Ich würde das Problem sehr ernst nehmen. Wir sollten bei all dem jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken. Das sollte uns viel mehr motivieren, unsere Bemühungen massiv zu verstärken und unser Konsumverhalten komplett zu verändern. Wir sollten wirklich alles tun, um unseren CO₂-Ausstoß massiv zu reduzieren. Das fängt bei jedem Einzelnen an.

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